Exoskelette: ein Präventionsansatz für muskuloskelettale Beschwerden

Muskuloskelettale Beschwerden (MSB) verursachen bis zu 30 Prozent der Fehlzeiten in Unternehmen. Ein Überblick über eine grosse Herausforderung für das Gesundheitswesen mit Claire Bauduin, Spezialistin für betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) bei der Groupe Mutuel.

Ein Mann mit einem Exoskelett
Muskuloskelettale Beschwerden verursachen viele Fehltage. Exoskelette können ein Mittel zur Prävention sein (Bilder: Groupe Mutuel).
Groupe Mutuel

Was sind muskuloskelettale Beschwerden?
Claire Bauduin:
MSB sind Erkrankungen des Bewegungsapparats, die Beschwerden in den Weichteilgeweben (Sehnen, Muskeln, Nerven) der Gelenke verursachen. Die berufliche Tätigkeit kann beim Auftreten oder der Verschlimmerung dieser Beschwerden mitverantwortlich sein. Insbesondere dann, wenn durch die Organisation der Arbeit physische Faktoren wie repetitive Bewegungen, statische Arbeit, übermässige Beanspruchung, Tragen schwerer Lasten oder psychosoziale Faktoren wie Zeitdruck oder mangelnde Autonomie und Unterstützung auftreten. Auch individuelle Faktoren wie Alter, Vorerkrankungen, Lebensweise und Arbeitsgewohnheiten können einen Einfluss haben.

Claire Bauduin ist Spezialistin für betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) bei der Groupe Mutuel. 

Claire Bauduin ist Spezialistin für betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) bei der Groupe Mutuel. 

Ist der Anteil dieser Erkrankungen hoch?
 Ja. Er liegt bei rund 30 Prozent der Erkrankungen, die heute in Unternehmen verzeichnet werden. Es handelt sich also um ein individuelles, aber auch öffentliches Gesundheitsproblem, dessen finanzielle Kosten für Unternehmen hoch sind und in der Schweiz auf mindestens CHF 5,5 Milliarden pro Jahr geschätzt werden. MSB können alle betreffen. 

In diesem Zusammenhang hat sich die Groupe Mutuel insbesondere für den Gipser- und Malerberuf interessiert. Warum?
Auslöser war die Anfrage eines unserer Kunden, der Fédération vaudoise des entrepreneurs (FVE). Der Verband hatte festgestellt, dass diese Branche und ihre Berufsgruppen eine hohe Fehlzeitenquote aufgrund von MSB aufweisen, wobei die Erkrankungen hauptsächlich Schultern und Rücken betrafen. Daraus entstand ein Forschungsprojekt zum Thema Exoskelette mit der Frage: Können Exoskelette das Auftreten von MSB reduzieren?

Was ist ein Exoskelett?
Ein Exoskelett ist ein mechanisches Gerüst, das aussen am Körper getragen wird, ähnlich wie ein Rucksack. Es übernimmt die physische Leistung, die der menschliche Körper normalerweise erbringt. Man unterscheidet zwischen passiven Exoskeletten, die mit mechanischen Federn oder elastischen Bändern funktionieren und wenig invasiv sind, und aktiven Exoskeletten, die mit einem Motor, einem Hydraulik- oder einem Pneumatiksystem funktionieren.

Beide haben jedoch ihre Einschränkungen und Grenzen, die ihrerseits neue Risiken bergen können. Passive Exoskelette werden am häufigsten in Unternehmen eingesetzt. Sie sind jedoch nicht die bevorzugte Lösung, um das Auftreten von MSB zu reduzieren.

In unserer Studie über den Gipser- und Malerberuf wurde festgestellt, dass das System mit einer Reihe von Tätigkeiten nicht kompatibel ist. Und auch das Empfinden der Nutzer war nicht immer positiv. Zudem fehlen uns aktuell die Erfahrungswerte, um die Relevanz von Exoskeletten für die Prävention von MSB eindeutig beurteilen zu können.

Aktuell sind Exoskelette also ein Mittel unter vielen zur Prävention?
Genauso ist es. Zunächst muss man die Arbeitssituationen insgesamt analysieren, um die Risikofaktoren zu identifizieren. Die Prävention von MSB ist wirksam, wenn geeignete Massnahmen umgesetzt werden: dies in Bezug auf Technik (Arbeitsmittel, Hebehilfen usw.), Organisation (Vorbereitung des Arbeitsplatzes, Abwechslung bei den Aufgaben während des Arbeitstages, klare Kommunikation der auszuführenden Aufgaben usw.) und Personal (Schulungen). In diesem Kontext einer Gesamtanalyse kann eine Empfehlung zur Verwendung eines Exoskeletts erfolgen oder auch nicht. Und da Prävention ein komplexes Thema ist, ist es sinnvoll, sich von Spezialisten begleiten zu lassen.

45 % der Erwerbstätigen sind dem Risiko von MSB ausgesetzt 

Gemäss Bundesamt für Statistik sind 45 Prozent der Erwerbstätigen dem Risiko von MSB ausgesetzt. Ein Mitarbeiter fehlt im Schnitt 1,3 Tage pro Jahr aufgrund von MSB. Die makroökonomischen Kosten von MSB für die Schweiz wurden auf CHF 5,5 Milliarden geschätzt. Laut der European Working Conditions Survey (EWCS) hatten 35,5 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer in den vergangenen zwölf Monaten Rückenprobleme und 31,8 Prozent Muskelschmerzen in Schultern, Nacken und oberen Gliedmassen.

Dieses Interview hat die Groupe Mutuel verfasst

Die Groupe Mutuel ist der zweitgrösste Krankenversicherer der Schweiz und bietet Versicherungen für alle wichtigen Lebenssituationen an.

Der Groupe Mutuel sind mehrere unabhängige Gesellschaften angeschlossen, die in den Bereichen Kranken- und Unfallversicherung, Lebensversicherung, Vermögensversicherungen und Unternehmensversicherungen tätig sind. 

Für Privatkunden bietet die Groupe Mutuel sowohl eine Grundversicherung als auch Zusatz- und Lebensversicherungen an.

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