Ende November 2024 hat das Schweizer Stimmvolk die EFAS-Vorlage mit fast 54% Ja-Stimmen angenommen. Die einheitliche Finanzierung von ambulant und stationär bringt grundlegende Änderungen im Gesundheitssystem – auch für die ältere Generation!
Die Mitte-Partei setzt sich für eine zugängliche und bezahlbare Gesundheitsversorgung in der Schweiz ein. In den folgenden Zeilen erklärt uns der Bündner Mitte-Nationalrat Martin Candinas, inwiefern sich diese Änderungen auf die Gesundheitsversorgung und -kosten für die Schweizer Senioren auswirken.
Herr Candinas, das EFAS-Reformprojekt führt zu nachhaltigen Veränderungen in der Finanzierung des Gesundheitswesens. Inwiefern profitieren die Senioren in der Schweiz davon?
Martin Candinas: Seniorinnen und Senioren profitieren von der einheitlichen Finanzierung insbesondere durch die Stärkung der ambulanten Versorgung und durch die bessere Koordination im Gesundheitswesen. Das aktuelle Finanzierungssystem bevorzugt die stationäre Pflege: Ein Pflegeheimaufenthalt wird stärker aus Steuergeldern mitfinanziert als die ambulante Pflege, was zu Fehlanreizen führt.
Mit der vom Volk angenommenen EFAS-Vorlage wird diese Ungleichbehandlung reduziert. Mit der Reform werden auch ambulante Pflegeleistungen, wie die Spitex-Betreuung, anteilig durch die Kantone finanziert. Das erleichtert es älteren Menschen, länger selbstbestimmt zu Hause zu leben – sofern sie das können und wollen – statt frühzeitig in ein Pflegeheim wechseln zu müssen.
Gibt es neben der besseren Versorgung auch finanzielle Vorteile? Ist es realistisch, dass auch für die Senior:innen in der Schweiz die Prämien sinken könnten?
Es ist illusorisch zu meinen, dass wir die Kostensteigerung im Gesundheitswesen und damit auch weitere Prämienerhöhungen beseitigen können. Das Gesundheitswesen wird durch die Demographie und die technologische Entwicklung immer teurer. Die Frage ist aber, in welchem Ausmass die Kosten in Zukunft steigen. Unser Ziel muss sein, dass die jährliche Kostensteigerung geringer wird.
Genau hier kann die einheitliche Finanzierung ansetzen, indem Fehlanreize beseitigt werden. Heute werden ambulante Behandlungen vollständig aus Prämiengeldern finanziert, während stationäre Behandlungen teilweise von den Kantonen übernommen werden. Diese Ungleichverteilung führt dazu, dass Prämienzahlende – darunter Seniorinnen und Senioren – unnötig hohe Kosten tragen. Da sich neu auch die Kantone an den ambulanten Behandlungen beteiligen, können die Prämienzahlenden entlastet werden. Ohne EFAS würden die Prämien stärker steigen.
Viele Senioren befürchten, dass die zunehmende Ambulantisierung dazu führen könnte, dass sie sofort nach einem Eingriff nach Hause geschickt werden – obwohl sie noch pflegebedürftig sind. Was ist Ihre Einschätzung?
Die knappe Annahme der EFAS-Vorlage kann ein Hinweis sein, dass diese Bedenken eine Rolle im Abstimmungsverhalten gespielt haben. Aber: Eine Behandlung wird auch mit der EFAS nur dann ambulant erfolgen, wenn sie im Einzelfall medizinisch vertretbar ist. «Ambulant vor stationär» ist seit Jahren ein Grundsatz der Schweizer Gesundheitspolitik. Und Fakt ist, dass ambulante Behandlungen in aller Regel günstiger sind.
Aber das aktuelle Finanzierungssystem hat genau diese Entwicklung gebremst. Gerade für ältere Menschen bringt die einheitliche Finanzierung deshalb nicht weniger, sondern mehr Sicherheit, weil das Gesundheitswesen besser aufeinander abgestimmt sein wird. Es gibt keine ökonomischen Anreize, Menschen unversorgt nach Hause zu schicken – im Gegenteil: Krankenversicherer und Kantone haben mit der EFAS ein gemeinsames Interesse an der sinnvollsten und kosteneffizientesten Behandlung.
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