Der Weg zur AHV-Rente beginnt mit einer Überraschung. Denn der Rentenanspruch wird von der zuständigen Ausgleichskasse nicht wie erwartet automatisch nach dem Erreichen des Referenzalters berechnet und ausbezahlt, sondern muss angemeldet werden. Diese Anmeldung kann online ausgefüllt und gesendet werden.
Nebst Standardfragen zu Personalien und Arbeitgeber sind auch Angaben und Unterlagen zu allfälligen früheren Ehen oder Partnerschaften erforderlich, wie die AHV-Nummer der Ex oder ein allfälliges Scheidungsurteil. Kein Problem, wenn man mit der Vergangenheit im Reinen ist.
Nach dem Absenden der Anmeldung herrscht erst mal längere Zeit Funkstille. Wie hoch wird der monatliche Anspruch sein, lautet die bange Frage, die man sich stellt. Rund einen Monat vor dem 65. Geburtstag trifft die Anspruchsberechnung ein. Als Teil des Schweizer 3-Säulenmodells in der Vorsorge passt die Höhe.
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Lebensziel erreicht?
Auf den bürokratischen Aufwand im Vorfeld folgt ein entspannter 65. Geburtstag. Mit Gratulationen, die deutlich herzlicher ausfallen als etwa beim 50. oder 55. Wiegenfest! In der Wahrnehmung seiner Mitmenschen scheint man mit dem Erreichen des AHV-Alters ein eigentliches Lebensziel erfüllt zu haben.
Sogar von Ruhestand ist in den Glückwünschen die Rede. Dieser ist für den Schreibenden indes kein Thema. Als Selbständigerwerbender, der mag, was er tut, ist Weitermachen naheliegend.
Jung bleiben, ist das Ziel. Zudem gibt es für den Rentenaufschub, der minimal ein und maximal fünf Jahre möglich ist, Anreize in Form eines Zuschlags zwischen 5,2 bis 31,5 Prozent auf den ursprünglich berechneten Anspruch.
Doch was ist mit den AHV-Beiträgen, die man nach dem Erreichen des regulären Rentenalters einzahlt? Nach Inkrafttreten der Reform AHV 21 auf den 1. Januar 2024 werde es möglich sein, unter gewissen Voraussetzungen Beiträge in der Rentenberechnung nachträglich anrechnen zu lassen, heisst es bei Ausgleichskasse auf Anfrage hin.
Nicht für alle ist ein längeres Arbeitsleben eine Option
Gesundheit ist die Basis für den positiven Blick nach vorn. Eigentlich immer. Und beim Älterwerden besonders. Ein längeres Arbeitsleben ist darum nicht für alle eine sinnvolle Option.
Im Gegenteil. Werden Arbeitnehmern mit schwerer körperlicher Belastung und gleichzeitig hoher psychischer Belastung das Recht auf eine Frühverrentung genommen, könne dies zum vorzeitigen Tod führen, heisst es im Resultat einer aktuellen Forschungsarbeit der Universitäten Mannheim und Barcelona.
Gemäss der Datenerhebung erhöht sich bei der gleichen Gruppe das Todesfallrisiko auch dann, wenn der Renteneintritt um ein Jahr aufgeschoben wird. Angesichts dieser Ergebnisse wirken die Forderungen aus der Politik für eine generelle Erhöhung des Rentenalters und der Abzüge bei vorzeitiger Rente beinahe zynisch.
Den Ruhestand nutzen für die Unterstützung der Angehörigen
Eine ältere Frau aus der Nachbarschaft argumentiert auf persönliche Weise gegen ein längeres Erwerbsleben. Sie kenne viele Leute aus ihrem Umfeld, die die Zeit nach der Pensionierung vor allem dafür nutzen, ihren betagten Eltern oder andere Verwandten unter die Arme zu greifen, erzählt sie. Diese Zeit mit und für ihre Liebsten wäre nicht möglich, wenn daneben weiterhin eine volle Erwerbstätigkeit geleistet werden müsste.
Ruhestand oder volle Kraft voraus beim Erreichen des Referenzalters? Älter werdende Menschen wissen in der Regel genau, was für sie passt. Wünschenswert sind darum möglichst flexible Wege für den Ausstieg aus dem Berufsleben und den Start in den Ruhestand.
Über den Autor
Robert Peterhans (65) ist aktiver Volksläufer und Initiant des Projekts Züri rännt. Er schreibt für diverse Medien übers Laufen, meist mit älteren Menschen im Fokus.