Schweizer Stimmbürgerinnen und -bürger entscheiden am 22. September 2024 über die Reform der beruflichen Vorsorge. Wichtige Ziele der BVG-Reform sind die Finanzierung der künftigen Renten aus den Pensionskassen (2. Säule) zu stärken und das Leistungsniveau insgesamt zu erhalten.
Ebenfalls sieht die BVG-Reform vor, Personen mit einem tiefen Einkommen und Teilzeitbeschäftigte besser absichern. Vor allem Frauen sind davon betroffen.
Bei einem Ja wird die Reform frühestens 2026 in Kraft treten. Wer bereits eine Rente bezieht, ist davon nicht betroffen.
Auswirkungen hat die Reform vor allem auf die späteren Renten im sogenannten obligatorischen Teil. Diese werden von Pensionskassen ausbezahlt, die nur das gesetzliche Minimum oder etwas mehr anbieten. Ein Grossteil der Arbeitnehmenden ist aber besser abgesichert und daher kaum von der BVG-Reform betroffen.
Die Abkürzung BVG steht für «Bundesgesetz über die berufliche Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge» – auch berufliche Vorsorge genannt. Diese ist Teil des Schweizer Drei-Säulen-Prinzips. Bei Invalidität, Todesfall oder Pensionierung erhält man aus diesen Säulen Geld. Folgende finanzielle Leistungen sind im Alter vorgesehen:
Die erste Säule bildet die staatliche Vorsorge. Dank der AHV und Ergänzungsleistungen soll der Existenzbedarf gesichert werden. Die zweite Säule, die berufliche Vorsorge (BVG), soll zusammen mit der AHV den Lebensstandard beibehalten. Für den Zusatzbedarf ist die dritte Säule, die private Vorsorge, vorgesehen.
In die 2. Säule zahlen viele Arbeitnehmende gemeinsam mit dem Arbeitgeber im Laufe ihres Berufslebens ein und sparen sich ein Alterskapital an. Ist das Rentenalter erreicht, wird das Alterskapital mit dem sogenannten Umwandlungssatz in die jährliche Rente umgerechnet. Diese zahlen die Pensionskassen bis ans Lebensende aus, unabhängig davon, ob man das Alterskapital jemals aufbraucht oder wie lange man lebt.
Nun müssen aber die Pensionskassen immer länger Rente auszahlen, weil die Lebenserwartung in der Schweiz seit Jahren steigt. Dies stellt für die Pensionskassen eine Belastung dar. Zusätzlich sind ihre Renditeerwartungen aufgrund der unsicheren Finanzmärkte geringer geworden.
Parlament und Bundesrat wollen die berufliche Vorsorge schon seit vielen Jahren reformieren. Das Stimmvolk lehnte eine entsprechende Vorlage 2017 ab, die die Pensionskasse an die AHV (1. Säule) verknüpfte.
In Folge nahm sich der Bundesrat die 1. und 2. Säule einzeln vor. Bei der AHV wurde die Reform umgesetzt, die BVG-Reform hat die Mehrheit des Parlamentes nach langer Diskussion angenommen. Weil mehrere Gewerkschaften sowie linke Parteien das Referendum ergriffen, kommt die Vorlage nun vors Stimmvolk.
Der Mindestumwandlungssatz der obligatorischen beruflichen Vorsorge soll von 6,8 auf 6 Prozent gesenkt werden. Dadurch verkleinern sich die Renten. Dafür wird das Alterskapital aber weniger schnell aufgebraucht. Trotz der Senkung des Umwandlungssatzes soll die Kürzung der Renten durch die im Punkt 2 und 3 beschriebenen Ausgleichsmassnahmen in den meisten Fällen verhindert werden.
Eine Ausgleichsmassnahme sieht vor, den versicherten Lohn in der obligatorischen beruflichen Vorsorge zu erhöhen. Denn in der BVG ist nicht der ganze Lohn versichert. Es wird unabhängig vom Einkommen und Beschäftigungsgrad ein gewisser Betrag abgezogen.
Heute beträgt dieser sogenannte Koordinationsabzug 25’725 Franken. Neu sollen aber statt eines fixen Betrages 20 Prozent vom Lohn abgezogen werden. Somit sind 80 Prozent des Gehalts versichert. Insbesondere Geringverdiener sollen somit eine bessere Absicherung haben und gemäss Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) zahlen die betroffenen Arbeitnehmenden und Arbeitgeber insgesamt geschätzte 1,4 Mia. Franken mehr in die Pensionskasse ein.
Wer kurz vor der Pensionierung steht, kann den tieferen Umwandlungssatz trotz der Erhöhung des versicherten Lohnes nur schwer ausgleichen. Deshalb soll die sogenannte Übergangsgeneration als zweite Ausgleichsmassnahme einen Rentenzuschlag erhalten. Das betrifft Personen, die in den 15 Jahren nach Inkrafttreten der Reform in Rente gehen.
Die Höhe des Zuschlages ist abhängig vom angesparten Altersguthaben und Geburtstagsjahr. Pro Monat beträgt er aber maximal 200 Franken und soll lebenslänglich ausbezahlt werden. Das wird geschätzte 800 Mio. Franken kosten und über die Lohnbeiträge von allen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden sowie den Pensionskassen finanziert.
Mit zunehmendem Alter der versicherten Person erhöht sich der Beitrag, den Arbeitnehmende und Arbeitgebende in die zweite Säule einzahlen. Ein älterer Arbeitnehmer kann dadurch auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt werden, weil er den Unternehmen höhere Kosten verursacht. Deshalb soll durch die Reform der Unterschied zwischen den Beiträgen für ältere und jüngere Angestellte verringert werden.
Momentan fliessen bei den 25-Jährigen 7 Prozent des Bruttolohns in die 2. Säule, dann wird die Abgabe stufenweise bis auf 18 Prozent für Menschen ab 55 Jahren erhöht. Mit der Reform wird es statt vier nur noch zwei solcher Stufen geben. Im Alter von 25 bis 44 Jahren soll neu eine Altersgutschrift von 9 Prozent gelten und ab 45 Jahren betragen die BVG-Abgaben 14 Prozent.
Heute muss man mindestens 22’050 Franken verdienen, um in die Pensionskasse einzahlen zu können. Diese Eintrittsschwelle wird mit der Reform auf 19’845 Franken gesenkt, damit auch Geringverdienende in der obligatorischen 2. Säule versichert sein können. Schätzungsweise können so gemäss dem BSV 70’000 Personen zusätzlich gemeinsam mit ihrem Arbeitgeber in die BVG einzahlen und 30’000 werden mit einem höheren Lohn versichert sein.
Nur Arbeitnehmende, die ausschliesslich im BVG-Obligatorium oder ein bisschen darüber versichert sind, sind von der Reform betroffen. Das sind geschätzte 15 bis 30 Prozent der Versicherten.
In der Schweiz sind sehr viele Arbeitnehmende im Überobligatorium versichert und ihre Pensionskassen dürfen aus diesem Grund bereits tiefere Umwandlungssätze als 6.7 Prozent verwenden. Am besten, Sie erkundigen sich bei Ihrer Pensionskasse, denn viele davon haben ihre eigenen Reglemente.
Nicht betroffen von der Reform sind auch Menschen, die bereits eine BVG-Rente beziehen. Sie haben aber ein Interesse, dass das System stabil bleibt.
Die Mehrheit des Parlamentes sowie der Bundesrat sind für die BVG-Reform – genauso wie viele Wirtschaftsverbände sowie die bürgerlichen Parteien. Folgende Argumente sprechen gemäss Bundesrat und Parlament u. a. dafür:
Zu den Gegnern gehören die Gewerkschaften und linke Parteien. Einige Verbände aus Tieflohnbranchen wie Gastrosuisse befürchten, dass die Arbeit im Tieflohnbereich verteuert werden könnte. Folgende Kritik kommt u.a. vom Gegnerkomitee:
https://www.bsv.admin.ch/bsv/de/home/sozialversicherungen/bv/reformen-und-revisionen/bvg-reform.html
https://www.swissinfo.ch/ger/bundespolitik/bvg-reform-darum-geht-es-bei-der-abstimmung/85051573
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