Dieses Jahr werden die meisten Krankenversicherer den Zeitpunkt der Publikation sorgsam wählen: Möglichst spät, möglichst an einem Tag, an dem bereits andere für Pressewirbel sorgen. Weshalb?
Die Ergebnisse aus dem Geschäftsjahr werden für manche Krankenkassen negativ ausfallen. In der Grundversicherung war die Prämie für viele ungenügend (deshalb die teilweise massiven Prämienerhöhungen per 2023) und die negativen Entwicklungen an den Finanzmärkten werden direkten Einfluss auf die Ergebnisse haben.
Die Geschäftsberichte können Sie in der Regel von der Website Ihrer Krankenkasse runterladen. Leider kann man sich als Konsument mittlerweile nicht mehr zurücklehnen und darauf warten, bis die Medien einen umfassenden Vergleich über alle Versicherer publizieren. Das ist selbst für professionelle Wirtschaftsmedien zu aufwändig geworden.
Die Krankenkassen erstellen die Geschäftsberichte grundsätzlich für die Aktionäre und nicht für die Konsumenten. Viele Medien entnehmen daraus lediglich die Saläre von CEO und VRP und stellen Vergleiche an. Diese Angaben mögen publikumswirksam sein, sind jedoch in Bezug auf die Geschäftsabschlüsse in einem Berichtsjahr vollkommen irrelevant. Sie sind höchstens ein Indiz für die herrschende Kultur im Topmanagement einer Krankenversicherung.
Doch wie studieren Sie nun diese Geschäftsberichte genau?
Die meisten Krankenversicherer bilden eine Gruppe. Sie «bestehen» je aus mehreren eigenständigen Gesellschaften. Diese werden konsolidiert und bilden das gegen Aussen kommunizierte Gesamtergebnis.
Als Konsumentin oder Konsument kann Ihnen das konsolidierte Ergebnis egal sein, denn die Sicherheit Ihrer eigenen Versicherung bemisst sich an jener der Grund- und oder der Zusatzversicherungen AG. Da sind Sie versichert. Schauen Sie deshalb am besten nach, wie Ihre Versicherung in der Grund- und in der Zusatzversicherung AG abgeschlossen hat.
Otto Bitterli hat sich ein Berufsleben lang an der Schnittstelle zwischen Privat- und Sozialversicherung bewegt. Er kommt ursprünglich von der Privatversicherungsseite (Winterthur) und hat dann bei der Sanitas als Geschäftsleitungsmitglied, als CEO und 1 Jahr als Verwaltungsratspräsident (VRP) gearbeitet. Aktuell ist er Berater und in mehreren VR und Boards tätig, unter anderem als VRP der Helvetic Care.
Folgende Faktoren sind in der Grundversicherung interessant und können ein Indiz für künftige Prämienerhöhungen oder Rückzahlungen sein:
Ein Blick auf das erfolgte Wachstum kann sich lohnen. Dieses kostet und starkes Wachstum dürfte in aller Regel in Zukunft zu Prämienerhöhungen führen.
Schauen Sie aber auch auf die ausgewiesenen Reserven beziehungsweise auf die ausgewiesene Solvenz. Sind die Reserven des Berichtsjahres im Vergleich zum Vorjahr stark gesunken, so ist dies ein Indiz für künftige Prämienerhöhungen.
Es gibt Krankenversicherer, die aus der Grundversicherung «Rückzahlungen an die Kunden» gewähren. Versicherte bei solchen Krankenkassen sind natürlich speziell daran interessiert, ob allenfalls eine solche Rückvergütung aufgrund des Abschlusses 22 erfolgt. Und falls ja, in welcher Höhe.
Die Veränderung der Risikoausgleichszahlungen richtet sich dann wohl schon eher an die Insider. Diese sind ein Indiz für die Bestandesqualität, also der Mix von sogenannt guten und schlechten Risiken.
Im Weiteren ist ein Blick auf die Kosten pro Kopf und deren Veränderungen interessant. Sie stellen ein Indiz bezüglich der Effizienz einer Krankenversicherung dar.
Die gute Botschaft: In der Grundversicherung kann Ihnen als Konsumentin oder Konsument nichts passieren. Der Versicherungsschutz ist in jedem Fall gewährleistet. Im schlimmsten Fall müssen Sie bei der nächsten Prämienerhöhung den Versicherer wechseln. Dies können Sie ohne Einschränkungen vornehmen.
Falls Sie zusatzversichert sind, lohnt sich insbesondere ein Blick in den Abschluss dieser Gesellschaft. Denn das dort ausgewiesene Kapital an Rückstellungen aller Art (Schadenrückstellungen, Altersrückstellungen) «gehört» den Versicherten im entsprechenden Produkt, also womöglich auch Ihnen.
Nicht so das ausgewiesene Eigenkapital. Es bildet zwar einen grossen finanziellen Schutz für die Versicherten, gehört aber letztlich der Eigentümerin bzw. dem Eigentümer. Eine Veränderung des Eigenkapitals ist gleichwohl interessant. Es zeigt auf, ob die Sicherheit (insgesamt, gemessen an der sogenannten Solvenz) für die Versicherten erhöht oder gesenkt wurde.
Weiter ist von Belang, mit welchen Risiken die Anlagen getätigt werden. Ist die Gesellschaft «risikofreudig», dann erfährt sie in guten Finanzjahren hohe Gewinne. Umgekehrt verhält es sich in einem schlechten Finanzjahr wie 2022.
Eine Wissenschaft für sich ist die Verteilung der Verwaltungskosten auf die Grund- und auf die Zusatzversicherungen. Hier können Sie anhand des Vergleiches «Verwaltungskosten Zusatzversicherung» die Veränderung zum Vorjahr anschauen. Diese müssten bei vielen Versicherern negativ sein, also gesenkt werden. Dies, weil viele Versicherer in der Vergangenheit den zusatzversicherten Personen übermässig Kosten aufgebürdet haben.
Die Entwicklung der Leistungszahlungen (auch im Verhältnis zu den Rückstellungen) ist ein Indiz für die «Bestandesqualität», aber auch in Bezug auf die «Mengenausweitung».
Die Leistungszahlungen sind in der Vergangenheit jeweils stark gewachsen - insbesondere in den Spital-Zusatzversicherungen Halbprivat und Privat. Diese Produkte bildeten den automatischen Ausgleich für bestehende Schieflagen in der Finanzierung des gesamten Gesundheitswesens, wie wir in unserer Artikelserie vom letzten Jahr aufzeigen konnten. Die aktuelle und künftige Entwicklung ist von besonderem Interesse. Darin wird sich zeigen, ob die Interventionen der Finma zur Stabilisierung oder gar Senkung der Leistungszahlungen Früchte tragen oder nicht.
Die gute Botschaft in den Zusatzversicherungen: Generell können Sie davon ausgehen, dass die privaten Versicherer und die Krankenkassen in den Zusatzversicherungen mit enorm hoher Sicherheit ausgestattet sind. Zum einen ist noch nie ein Schweizer Versicherer Konkurs gegangen. Zum andern wacht die Finma akribisch über deren Sicherheit - mit allen Vor- und Nachteilen.
Als versicherte Person interessiert Sie an der gesamten Berichterstattung an sich «nur» die Veränderungen und die finanzielle Sicherheit in Ihrem Produkt. Da würde sich zeigen, wie viele Mittel zugeordnet sind, die allen Versicherten in diesem Produkt «gehören». Da würde sich zeigen, ob Ihre Prämien mit zunehmendem Alter steigen oder nicht. Da würde sich zeigen, ob Sie aufgrund der Entwicklung der Leistungszahlungen und aufgrund des Wachstums künftig mit einer Verschlechterung oder Verbesserung rechnen müssen.
Allerdings fehlt ein solcher Nachweis. Bei diesen für die Versicherten relevanten Entwicklungen können Sie sich als Konsumentin und Konsument letztlich nur auf die Professionalität des Versicherers und auf die Prüfung durch die Finma abstützen. Versicherung ist und bleibt ein Vertrauensgeschäft.
Wie Helvetic Care und die SonntagsZeitung im letzten Sommer dargestellt haben, sind die Prämienentwicklungen bei den Zusatzversicherungen im Markt intransparent und kaum erklärbar und nachvollziehbar.
Diesbezüglich werden Sie auch mit dem Studium der umfangreichen Geschäftsberichte leider nicht «schlauer».
Es lohnt sich deshalb, das Heft selbst in die Hand zu nehmen und aktiv zu werden.
Helvetic Care empfiehlt den an einer Halbprivat- und Privatversicherung interessierten Menschen ein Beratungsgespräch bei der Groupe Mutuel.
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