- 07:30 Uhr: Tagwache
- 8:00 Uhr: Morgenessen und anschliessende Medikamentenversorgung im ganzen Haus
- 11:30 Uhr: Mittagessen im Saal
- 17:30 Uhr: Nachtessen, danach Medikamentenversorgung und mit dem Sonnenuntergang ist Lichterlöschen
So oder ähnlich sieht der Alltag in vielen Schweizer Alters- und Pflegeheimen aus. Die Begründung für diese starre Struktur könnte folgendermassen lauten:
«Ein klarer Rhythmus ist für das Wohlbefinden der älteren Menschen sehr wichtig. Stellen Sie sich vor, wie teuer das wäre, wenn das Personal, das eh knapp ist, individuell Rücksicht auf jede Einzelne und jeden Einzelnen nehmen müsste!»
Findet sich die nächste Generation mit allem ab?
Auch wenn solche Aussagen in Zeiten von Personalknappheit sehr verständlich sind, ist es doch fraglich, ob sie von den künftigen Bewohnerinnen und Bewohnern so einfach akzeptiert werden.
Die Generation der heutigen Bewohnenden mag sich vielleicht schicksalshaft damit abgefunden haben, dass im letzten Lebensabschnitt die Gemeinde und Familie schon zum Bestmöglichen schauen werden. Nun wächst aber langsam die nächste grosse Generation der Babyboomer heran.
Nimmt diese von Wohlstand gehätschelte und von Individualität geprägte Generation wirklich die «Heimeinweisung» schicksalshaft entgegen und möchte sie ihre Zukunft nicht selbst in die Hand nehmen?
Wenn dies zutrifft, werden übermorgen alle diese Heime halb leer stehen und die finanziellen Konsequenzen auf die Steuerzahler abgewälzt?
Jedenfalls schiessen Mehrgenerationenhäuser oder Alters-WGs wie Pilze aus dem Boden und der Markt der ambulanten Altersversorgung zu Hause boomt wie noch nie.
Von welchem Markt sprechen wir?
Heute gibt es in der Schweiz insgesamt etwa 1600 Institutionen, welche in unterschiedlichem Mass die Versorgung der älteren Menschen sicherstellen. Geschätzt wird, dass 100'000 Personen stationär so «versorgt» werden und gegen 100'000 Menschen in diesen Arbeitsprozessen beschäftigt sind.
Der Bedarf ist wachsend, bis 2040 braucht die Schweiz zusätzliche 54‘0000 Langzeitbetten – dies entspricht einem Anstieg von 69 Prozent. Davon geht eine kürzlich publizierte Studie des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) aus. Grund für diesen Anstieg sei die Überalterung der Gesellschaft. Gemäss dem Bericht wird sich die Altersklasse 80+ bis in 18 Jahren fast verdoppeln*.
Der Markt ist bei den Heimen intransparent
Angenommen, ich bin heute 60 Jahre alt und will mich rechtzeitig mit diesem finanziell beachtlichen Thema auseinandersetzen: Was muss ich tun, um meinen Platz zu finden?
Die Antwort ist banal und erschreckend. Der Markt ist vollkommen intransparent und Vorsorgemöglichkeiten bestehen kaum. Als Individuum muss man sich die Frage stellen, ob man so viel eigene Recherche aufbringen möchte oder gescheiter seine Energie in eine eigene Vision umwandelt. Vielleicht doch besser in die Alters-WG investieren oder einfach abwarten?
Was macht die Politik?
Dabei gibt es an sich viele Informationen und Beratungsstellen. Aber es gibt kaum etwas, das mir die Transparenz für meine eigene Planung und Entscheidung ermöglicht.
Die Politik versucht zwar, die grössten Missstände zu lösen. Allerdings gleichen die Massnahmen einem Flickenteppich, was kaum zur Transparenz in diesem undurchsichtigen Markt beiträgt. Dabei wäre ein grosser Wurf gefragter denn je.
Ebenfalls ist es wichtig, dass sich die Politik nicht nur auf den zunehmenden Bedarf von Pflegeplätzen ausrichtet, sondern Veränderungen anstrebt, damit neue Modelle finanziell für Bewohnende attraktiver werden.
Was möchten denn die Menschen wissen?
Schliesslich stellen sich derzeit Hunderttausende von Schweizern zwischen 60 und 70 Jahren die Frage, wie sie ihren nächsten Lebensabschnitt gestalten möchten.
Wo und wie möchte ich wohnen und leben? Wo habe ich die persönliche Freiheit und gleichzeitig die Sicherheit, falls ich künftig mehr Pflege benötige?
Sich damit zu beschäftigen, ist nötig. Denn Entscheide sollten dann gefällt werden, wenn die Energie zur Veränderung noch vorhanden ist.
Folgende Aspekte sollten beim Entscheiden ausserdem berücksichtigt werden:
- Bin ich bereit und habe ich die Mittel, in meine aktuelle Umgebung zu investieren?
- Kann ich mein allfälliges Eigentum verkaufen und die liquid werdenden Mittel gezielt anders einsetzen und damit Freiraum erlangen?
- Wie kann ich die Zukunft selbst regeln, damit meine Angehörigen nicht in die Pflicht genommen werden?
- Wie kann ich verhindern, dass ich dereinst als «Notfall» in irgendeine Institution überwiesen werde, ohne die Möglichkeit zu haben, selbst zu entscheiden, wohin ich gehen möchte?
Über den Autor
Otto Bitterli (59) ist Verwaltungsratspräsident bei Helvetic Care und selbstständiger Berater im Gesundheitswesen. Von 2005 bis 2019 war er CEO und Verwaltungsratspräsident der Sanitas Krankenversicherung.
Wir wollten Transparenz schaffen und stiessen auf massive Widerstände
Wir von Helvetic Care wollten den Menschen bei der Entscheidungsfindung helfen. Denn auf helveticcare.ch orientieren und informieren wir unsere Leserinnen und Leser rund um das Thema selbstbestimmtes Leben im Alter, dazu gehört auch die Zukunftsgestaltung des Wohnens. 2500 Institutionen sind auf helveticcare.ch bereits erfasst und abgebildet – diesen boten wir es an, ihre Angebote noch etwas genauer bei uns darzustellen.
So wollten wir unseren User grösstmögliche Transparenz ermöglichen. Denn viele Menschen möchten wissen, in welcher Region welche Institutionen vorhanden sind, die sie zwischen Unabhängigkeit und Sicherheit durch die nächste Phase begleiten.
- Welche Philosophie leben diese Heime im Alltag?
- Welche Garantien gewähren sie ihren Bewohnern?
- Wie transparent ist die Finanzierbarkeit für die Interessenten?
Solche Fragen hätten die Institutionen bei uns beantworten können. Wir hätten nicht gedacht, dass dieses Angebot auf so viel Widerstand stossen würde. «Eigentlich eine gute Idee, aber unser Haus holt sich die Bewohner direkt vom Spital. Wir benötigen keine Darstellung auf einer schweizweiten Plattform, der jeweilige Entscheid hängt von der finanziellen Beteiligung der Gemeinde ab.»
Zusammengefasst: ein Milliardenmarkt fernab von den weiter oben beschriebenen Bedürfnissen. Ein Milliardenmarkt im tiefen Dornröschenschlaf.
Wie weiter?
Ob all dieser Antworten waren wir in der Tat erstaunt und wussten nicht mehr weiter. Was sollen wir nur mit der Darstellung der Institutionen machen? Bietet sie keinen Mehrwert für unsere User? Dabei stossen viele Menschen (im Monat ca. 4000) auf uns, weil sie eine Institution suchen oder sich über eine informieren.
Im Weiteren mussten wir uns nach dieser Erfahrung eingestehen, dass wir nicht wirklich kompetent sind, um die Irren und Wirren in diesem Markt zu verstehen, geschweige denn bedürfnisgerecht abbilden zu können.
Ausschau nach dem richtigen Partner
Uns wurde bewusst, dass eine - offensichtlich von den Konsumenten gesuchte - Weiterentwicklung der Darstellung der Institutionen nur mit einem kompetenten Partner zusammen bewerkstelligt werden kann und wir haben uns von einer neueren Seite angenähert.
Wir gingen auf die Suche nach einem Partner, der «selbstbestimmt wohnen und leben» effektiv in seinem Lebenselixier hat und wir sind fündig geworden: Casa Solaris, die in der Schweiz bereits mehrere Häuser für betreutes Wohnen im Alter betreibt. Nun möchten wir gemeinsam dieses Thema weiterdenken und neu konzipieren. Wir freuen uns darauf, Veränderungen anzuregen.
*Anmerkung von Helvetic Care
Der in der Studie geschätzte Bedarf geht davon aus, dass sich die Bedürfnisse der Menschen nicht ändern, dass der Bedarf «nur» stationär, also analog den heutigen Strukturen abgedeckt wird.