Sie haben mehrere Jahre als Personalberater in einem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum gearbeitet. Welches waren Ihre Erfahrungen, insbesondere mit Stellensuchenden über 50?
Kurt Hochstrasser: Ich war selber in diesem Alter, das war bestimmt ein Vorteil, ich konnte mit den Ratsuchenden auf Augenhöhe kommunizieren. Die Thematik 50plus wird meines Erachtens überbewertet, teilweise von den Medien übertrieben dargestellt. Natürlich gibt es Menschen mit viel beruflicher Erfahrung, die Mühe haben, eine Stelle zu finden. Ich habe aber viele ältere Stellensuchende begleitet, die relativ schnell einen Job fanden. Dass ältere Bewerber keinen Job finden, das stimmt einfach nicht. Meine Erfahrung: Ab 50 ist die Stellensuche aufwändiger, ab 60 schwierig. Der Älteste, den ich in einem Unternehmen platzieren konnte, war 64.
Sie kennen die Stellensuche im fortgeschrittenen Alter auch aus eigener Erfahrung.
Das war für mich tatsächlich eine neue Erfahrung. Meine RAV-Beraterin war damals ein wenig ratlos. Ich schlug ihr vor, ich könnte den gleichen Job wie sie machen. Das hat geklappt, dank meiner breiten beruflichen Erfahrungen. So wurde ich Personalberater.
Bei vielen älteren Stellensuchenden heisst es, sie seien überqualifiziert. Ist das tatsächlich ein Problem?
Ja, man hört das Argument der Überqualifikation häufig als Absagegrund. In den meisten Fällen ist das aber eine Ausrede. Eine solche Absage tut weniger weh. Leider sind viele Arbeitgeber nicht bereit, den wahren Grund einer Absage zu kommunizieren.
Kurt Hochstrasser
Womit hat das zu tun?
Häufig mit dem Alter. Hier findet tatsächlich eine Diskriminierung statt. Für viele Stellen, zum Beispiel im kaufmännischen Bereich, müssen die Arbeitgeber hundert, zweihundert Bewerbungen sichten. Da kann es vorkommen, dass ältere Leute leichtfertig aussortiert werden. Einen anderen Grund für eine Absage sehe ich im Alter der zum Teil sehr jungen Vorgesetzten. Sie haben Angst vor älteren Mitarbeitenden oder sind zumindest verunsichert und ziehen daher jüngere, formbare Bewerberinnen und Bewerber vor.
Wie steht es mit Vorurteilen?
Auch das gibt es. Gewisse Personaler unterstellen älteren Bewerbern einen Mangel an Flexibilität. Das ist natürlich fragwürdig. Ich bin in meinen Beratungen immer wieder erfahrenen Menschen begegnet, die ich als sehr flexibel erlebt habe. Sie waren zum Beispiel digital extrem fit und bereit, sich auf Neues einzulassen. Auf der anderen Seite gibt es Leute unter dreissig, die wenig Veränderungsbereitschaft zeigen. Mit Vorurteilen sollte man daher äusserst vorsichtig sein.
Über Kurt Hochstrasser
Kurt Hochstrasser, 67, ist seit zwei Jahren im Ruhestand. Er blickt auf eine reiche berufliche Erfahrung zurück. Er machte eine Banklehre, arbeitete als Ringhändler an der Börse Zürich, war rund zwanzig Jahre bei der Fachhandelskette Beldona, davon 11 Jahre als CEO. Zudem hat er im Goms zusammen mit Koni und Clara Hallenbarter ein Langlaufresort geführt und amtete in zwei Hotelbetrieben als Verwaltungsratspräsident. Nach einem Stellenverlust arbeitete er als Unternehmensberater im Detailhandel. Die letzten Berufsjahre, von 2013 bis 2020, war er Personalberater beim RAV Wohlen.
Was heisst das für Unternehmen?
Sie müssen wegkommen von einer zu starken Gewichtung des Kriteriums Alter. Und: Sie müssen auf jeden Fall auch ältere Bewerbende zum Vorstellungsgespräch einladen. Nur so haben diese eine Chance, dass man sie kennenlernt. Bei der Einladung zum Vorstellungsgespräch könnte man zum Beispiel einladen: zwei Kandidaten unter 45, zwei Kandidaten über 45. Man muss von Anfang die Weichen stellen, damit man die älteren Bewerbenden zu Gesicht bekommt.
Wie schätzen Sie die grundsätzliche Bereitschaft der Unternehmen ein, ältere Leute einzustellen?
Es werden ältere Bewerber eingestellt, aber zu wenige. Hier muss sich in der Haltung der Betriebe etwas ändern. Es gibt aber auch finanzielle Gründe, weshalb Unternehmen bei der Einstellung von Älteren zurückhaltend sind. Sie sind zu teuer. Hier ist die Politik gefordert. Man muss endlich vorwärtsmachen und die viel höheren Sozialleistungsabgaben von älteren Mitarbeitenden senken. Diese Diskriminierung ist unhaltbar. Solange sich das nicht ändert, ist das Verhalten von Arbeitgebern bis zu einem gewissen Grad verständlich. Der finanzielle Druck ist bisweilen so gross, dass sie jüngeren, günstigeren Mitarbeitenden den Vorzug geben.