Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) hat im November 2020 die CEOs der Krankenversicherer ins Gebet genommen: Sie hat ihnen «Missbräuchlichkeit in ihren Ämtern» vorgeworfen. Grund: Sie bezahlten zulasten der Halbprivat- und Privatversicherten ungerechtfertigte und zu hohe Leistungen.
Seitdem sind die Krankenversicherungsindustrie und Teile der Arzt- und die Spitalszene in Aufruhr. Es gilt eiligst neue Verträge auszuarbeiten, Transparenz zu schaffen, doppelte Verrechnungen zu verhindern, echte Mehrleistungen zu bezeichnen und insgesamt die Höhe auf ein richtiges Mass zu korrigieren. Hoffnung also auf Prämiensenkungen bei den Halbprivat- und Privatversicherten seitens des Aufsichtsamtes Finma?
Haben Sie eine Spitalzusatzversicherung mit stark steigenden Prämien im Alter und sind Sie gesund? Dann empfehlen wir Ihnen einen Wechsel in das Produkt «Hôpital Senior» der Groupe Mutuel zu prüfen. Schweizweit ist dies die einzige halbprivate oder private Versicherung, die kein Höchsteintrittsalter kennt. Ausserdem ist sie für Seniorinnen und Senioren sehr günstig.
Mehr zur «Hôpital Senior»Wenn der Spitalzusatzversicherungs-Markt (sprich Halbprivat und Privat) insgesamt ca. CHF 4 Mrd. umfasst, dann zahlen die Krankenversicherer den Spitälern und Ärzten ca. CHF 11 Mio. an Leistungen täglich aus.
Das umfasst etwa Ausgaben für das medizinische Material, Labor, MRI, Einzelzimmer oder für Arzthonorare. Diese sind bis dato – unabhängig von den Entschädigungen in der Grundversicherung – zwischen Spitälern und Versicherern sowie zwischen Ärzten und Versicherern geregelt.
Die Finma moniert, dass bereits in der Grundversicherung vollumfänglich geleistete Entschädigungen in der Zusatzversicherung nicht nochmals gezahlt werden dürfen. Konkret will sie eine doppelte Vergütung vermeiden.
Das betrifft zum einen viele technische, nicht ärztliche Leistungen, die historisch einfach mit einem Zuschlag für Halbprivat und einem noch höheren Zuschlag für Privat verrechnet wurden.
Zum anderen geht es auch um weitere Vergütungen für die Spitalinfrastruktur und die ärztlichen Leistungen. Die Finma bezichtigt die Krankenversicherer, «missbräuchlich und nicht gerechtfertigte Leistungen zulasten der Halbprivat- und Privatversicherte zu bezahlen.»
Das System und die Verträge der Grund- und Zusatzversicherungen sind - wie gesagt - aktuell nicht verknüpft: Für die Grundversicherung wird eine Pauschale (DRG) in Rechnung gestellt.
Schauen wir uns das nachfolgende fiktive Beispiel der Rechnungen für einen Spitalaufenthalt an:
4 Tage Spitalaufenthalt in der Grundversicherung, pauschal gemäss baserate / DRG (zusätzlich bezahlt der Kanton 55%, in dem Beispiel also CHF 5‘500.-)
Total Grundversicherung | CHF 4‘500.- |
inkl. Kantonsanteil, separate Entschädigung Kanton - Spital | CHF 10‘000.- |
Für die Zusatzversicherung erfolgt – unabhängig davon – eine separate und nach Einzelleistungen aufgeführte Rechnung gemäss Vertrag zwischen dem jeweiligen Spital/Arzt und dem Versicherer. Diese rechnen direkt untereinander ab. Die versicherte Person erhält eine Kopie:
4 Tage Zweibettzimmer | CHF 2000.- |
Operationshonorar Chefarzt | CHF 5000.- |
Besuche Chefarzt | CHF 2000.- |
Radiologie: einzelne radiologische Abklärungen | CHF 1900.- |
Medikamente | CHF 2100.- |
Weitere Einzelleistungen: z. B. Verbandsmaterialien | CHF 800.- |
Total Zusatzversicherung | CHF 15‘000.- |
Nicht selten erstreckt sich die Rechnung einer Zusatzversicherung über mehrere Seiten. Wahrlich schwierig zu interpretieren und erst recht zu kontrollieren - oder?
Genau hier greift die Finma ein: Laborleistungen, Medikamente, Radiologie, grundsätzliche Leistungen des Arztes und des Spitals etc. sind ja bereits über die Grundversicherung zu 100% bezahlt. Wo genau liegt die Mehrleistung, die ein Privatpatient in Anspruch nimmt? Wie bemisst sich diese Mehrleistung in Franken?
All die Verträge in den Zusatzversicherungen müssen nun aufgrund der Intervention der Finma zwischen Versicherern und Spitälern neu ausgehandelt werden. Die Rechnungen von Grund- und Zusatzversicherungen sollen bei der Rechnungsstellung durch das Spital und bei der Kontrolle durch den Versicherer aufeinander abgestimmt werden. Es dürfen künftig nur noch echte Mehrleistungen zusätzlich abgerechnet werden.
Für alle Beteiligten sind diese Verhandlungen kompliziert. Schliesslich müssen die Versicherungen, Ärzte und Spitäler trotz allem profitabel arbeiten. Sonst geraten sie schnell in eine finanzielle Schieflage. Spielraum ist deshalb wenig vorhanden.
Fakt ist zudem: Die Spitäler und Ärzte sind in der Lage, die «Menge der Leistungen» zu beeinflussen. Sie entscheiden, was die Patientin oder der Patient im konkreten Fall benötigt.
Kürzlich hat mir ein privatversicherter Mann folgende Geschichte erzählt: Er wurde mit unklarer Diagnose in ein Spital gebracht. Da musste er längere Zeit warten, bis man ihn als Privatversicherten identifiziert hatte. Danach wurde er von mehreren Seiten (Facharzt-Disziplinen) und immer gleich vom Chefarzt betreut.
Man gehe eben vorsichtig und mittlerweile interdisziplinär vor. Natürlich wurden zusätzlich auch entsprechende radiologische Abklärungen etc. getätigt. Ob das bei einem «lediglich» Grundversicherten auch so passiert wäre?
Die Spitäler wissen sich im Alltag zu helfen. Aber ist es das, was wir uns als Privatversicherte wünschen?
Da es bei den aktuellen Verhandlungen selbstsprechend zu Situationen ohne Resultat kommen kann, haben Sie als halbprivat- und privatversicherte Person künftig vielleicht nicht mehr überall den Zugang oder sie müssen gewisse Kosten zusätzlich selbst tragen.
Wenn immer möglich: Erkundigen Sie sich vorab beim Spital oder beim Versicherer. Auf beiden Seiten ist man bemüht, im Einzelfall einigermassen kulante Lösungen zu finden. Allerdings schränken solche vertragslosen Zustände die Halbprivat- und Privatversicherung weiter ein: Es besteht für diese Ärzte und Spitäler keine Wahlfreiheit mehr.
Der Ausgang dieses Eingriffs der Finma für die Privat- und Halbprivatversicherten ist aktuell vollkommen ungewiss. Eigentlich müsste es zu Prämiensenkungen führen, wenn gewisse Leistungen nicht mehr oder verringert abgerechnet werden können.
Die Industrie der Versicherer konnte mit der Finma vereinbaren, dass man sich ein Zeitfenster bis Ende 23 gibt, um die neue Situation zu etablieren. Deshalb kann für die Prämienentwicklung in diesem Herbst wenig ausgesagt werden. Helvetic Care geht davon aus, dass die Prämien deshalb vorerst nicht angepasst werden.
Das heisst aber nicht, dass Sie keine technischen Anpassungen der Tarife (sprich Prämienerhöhungen aufgrund des Wechsels der Altersklasse) haben werden!
Möchten Sie wissen, wie sich die Prämie Ihrer halbprivaten und privaten Spitalzusatzversicherung entwickelt? Dann fragen Sie bei Ihrer Versicherung nach.
Eine Vorlage des Mails erhalten Sie, wenn Sie auf den jeweiligen Link Ihrer Krankenkasse klicken. Ein vorgeschriebenes Mail öffnet sich in Ihrer Mail-Applikation und Sie brauchen nur noch auf «Senden» klicken.
Falls Sie uns Ihre Entwicklung per Mail zustellen, dann werden wir eine Übersicht über die unterschiedlichen Entwicklungen pro Versicherer publizieren, sodass Sie sich künftig direkt bei helveticcare.ch informieren können.
Schreiben Sie unsDie indirekten Eingriffe der Finma müssten aber langfristig zu Prämiensenkungen bei den Halbprivat- und Privatversicherungen führen. Helvetic Care ist diesbezüglich allerdings aus zwei Gründen skeptisch:
Otto Bitterli hat sich ein Berufsleben lang an der Schnittstelle zwischen Privat- und Sozialversicherung bewegt. Er kommt ursprünglich von der Privatversicherungsseite (Winterthur) und hat dann bei der Sanitas als Geschäftsleitungsmitglied, als CEO und 1 Jahr als Verwaltungsratspräsident (VRP) gearbeitet. Aktuell ist er Berater und in mehreren VR und Boards tätig, unter anderem als VRP der Helvetic Care.
Statt ausschliesslich in mühsame und tagelange Vertragsverhandlungen zu investieren, die kaum Wirkung haben, sollten die Versicherer die Energie insbesondere in die Gestaltung neuer Produkte legen. Solche Produkte, die auch den bestehenden halbprivat und privatversicherten Kunden einen Mehrwert bieten und nicht nur auf Neukunden ausgerichtet sind!
Gefragt sind vollkommen neue Modelle, welche den einzelnen Menschen und nicht das Kollektiv ins Zentrum rücken. Gefragt sind Modelle, in denen für die Gesundheit im Alter individuell gespart werden kann.
Helvetic Care ist überzeugt, dass solche individuellen Produkte nur in Kombination zwischen Kranken- und Lebensversicherungen entstehen können.
Interessant ist, dass die AXA aktuell als einziger Privatversicherer beide Sparten (allerdings ohne die Grundversicherung zu betreiben) führt.
Interessant ist weiter, dass unser Partner Groupe Mutuel als einziger Krankenversicherer das vollumfängliche Sortiment von Kranken- und Lebensversicherungen anbietet. Wir werden deshalb in einem nächsten Beitrag deren CEO Thomas Boyer in einem Interview befragen.
Helvetic Care wollte die in diesem Artikel und in der gesamten Artikelserie aufgeworfenen Fragen mit der Finma besprechen. Leider – und dafür haben wir volles Verständnis - kann die Finma in einer laufenden Projektumsetzung nicht über Drittkanäle wie helveticcare.ch kommunizieren.
Aber, vielleicht wird sie ja, im Hinblick auf die Möglichkeit der Versicherten per Ende September ihre Halbprivat- und Privatversicherungen kündigen zu können, eine entsprechende Information für die Öffentlichkeit und für die Versicherten bereitstellen. Wünschenswert wäre es. Helveticcare.ch bleibt da auf alle Fälle dran.
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