Unsere sieben Zwerge nennen wir sie manchmal in Gedanken, unsere Enkelkinder. Allen haben wir schon die Windeln gewechselt und ihnen Geschichten, so auch die vom Schneewittchen erzählt, wenn sie krank waren oder wenn ihre Eltern arbeiten mussten. Wir Grosseltern sind eines der Rädchen im eingespielten Räderwerk der heutigen Familien mit Kindern. Das lassen wir uns nicht nehmen, obwohl unser Alltag ausgefüllt, farbig und abwechslungsreich ist.
Wie viele Senioren übernehmen auch wir regelmässig Betreuungsaufgaben. Und so fegen die Zwerge dann jeden Sommer durch unseren Garten, planschen in unserem Teich, bevölkern wie kleine Vögel unser Baumhaus, und verraten uns manchmal Geheimnisse, die nicht einmal ihre Eltern wissen.
Jetzt kostenlos anmeldenWir konnten ihnen nicht helfen
Dann kam das Jahr 2020 und mit ihm die Pandemie. Von einem Tag auf den andern wurden wir zu vulnerablen Personen, obwohl wir uns kerngesund fühlten. Unsere Nachbarn kauften für uns ein und wir blieben folgsam zu Hause. Allein, ohne die sieben Zwerge. Ihre Eltern arbeiteten ebenfalls daheim; aber sie mussten daneben noch den Nachwuchs schulen und beschäftigen. Wir konnten ihnen nicht helfen. Und sie fehlten uns alle.
Im Frühling 2020 hatten wir eigentlich eine Reise nach Berlin geplant. Dort sollte im März das siebte Zwerglein zur Welt kommen. Wir freuten uns sehr darauf, das Kleine zum ersten Mal in die Arme zu nehmen und einige schöne Tage mit ihm und seiner Familie zu verbringen.
Erst nach vier Monaten konnten wir das Baby sehen
Doch die Bilder in den Medien von den Grenzbefestigungen zu Deutschland machten uns schnell klar: Berlin war für uns von einem Tag auf den anderen unerreichbar fern.
Das hatten wir während unserem Leben noch nie erlebt. Das Virus erwischte uns Freiheitsliebende aus der 68er Generation auf dem linken Fuss. Wir mussten notgedrungen unsere Freiheit der Gesundheit opfern und unsere jüngste Tochter und ihre Familie in dieser auch für sie verunsichernden Situation alleine lassen. Es sollten mehr als vier Monate dauern, bis wir das Baby endlich sehen durften.
Dank Internet konnten wir aus unserer behördlich verordneten Isolation trotzdem am anforderungsreichen Leben der Familien unserer Zwerge teilhaben. Wir hatten auch viel mehr Freizeit als ihre Eltern. So entging uns nicht, dass Zwerg Nummer vier, ein Zweitklässler, im Homeschooling beim Fach Lesen streikte. Lieber tauchte er mit seinem älteren Bruder zusammen ins Leben der alten Römer ein. Sie bauten ein römisches Kastell und wussten bald besser über die Feldzüge und die Ausrüstung der römischen Legionäre Bescheid als wir alle.
Über die Autorin
Ruhestand ist für Tonia Sommerhalder (75) aus dem Kanton Aargau ein Fremdwort. Mit ihrem Mann Ruedi kümmert sich die ehemalige Lehrerin und Gemeinderätin um Haus, Garten und Schafe und organisiert in einer umgebauten Fabrik kulturelle Veranstaltungen. Regelmässig ist bei den Sommerhalders auch Kinderlachen zu hören, denn die sieben Enkel kommen gerne zu Besuch. Und wenn es mal still ist, dann sind Tonia Sommerhalder und ihr Mann vielleicht mit dem Wohnmobil unterwegs.
Die Zukunft ist hoffnungsvoll
Ein Hilferuf seiner Mutter hatte Folgen: Die von der Grossmutter jeden Tag erfundene und vom Grossvater illustrierte Geschichte «Die Römerkinder» war geboren. Jedes der sieben Zwerge und auch ihre Eltern bekamen flugs eine neue Identität und wurde in die Römerzeit versetzt. Und sie nahmen begeistert Einfluss auf den Lauf des Lese-Abenteuers. Nach 24 Kapiteln ging die Zeit des Homeschoolings und auch die Geschichte der Römerkinder mit einem Cliffhanger zu Ende. Mal sehen, ob eine Fortsetzung folgt.
Hat der unwillige Zweitklässler nun Freude am Lesen bekommen? Durchaus: Seine älteren Geschwister haben ihm die tägliche Geschichte meistens vorgelesen. Ein paar Sätze hat er jedoch jeden Tag selber geschafft.
Unterdessen können wir auf dieses einmalige Jahr 2020 als bereits Geimpfte gelassener zurückschauen und auch an eine hoffnungsvollere Zukunft denken: Bald ist wieder Sommer und die sieben Zwerge werden unser Haus, unseren Teich und unser Baumhaus unsicher machen – nicht als Römerkinder, sondern in Wirklichkeit!
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