Wenn man sich der SCEWO im Trendquartier Technostrasse in Winterthur nähert, dann wird man bereits von weitem von einer SCEWO-Fahne geleitet. Die scheinen nicht nur Technologiefreaks und Rollstuhlbauer zu sein, sondern auch was von Marketing zu verstehen.
Wir haben uns nicht getäuscht: Herzlich und umgänglich begrüssen uns die drei Co-Founder Bernhard Winter, Pascal Buholzer und Thomas Gemperle in ihrer grosszügig geschnittenen Location. Grosszügig muss es sein, denn sie brauchen ja auch Übungs- und Testgelände. Nach einer kurzen Kaffeepause geht es auch bereits ab auf den Elektrorollstuhl BRO.
Mehr zum Thema Hilfsmittel im Alter erfahren Sie unter diesem Link.
Wir drehen unter Anweisung einige Runden und stellen fest, dass wir rasch Vertrauen fassen. Der Rollstuhl fährt nicht nur, er kann noch viel mehr. So lässt er sich an Ort und Stelle wenden (z.B. im Lift), seine Höhe verstellen oder sich tiefer legen – ein Buch aus einem Regal zu holen oder sich auf die richtige Tischhöhe zu nivellieren, ist so kein Problem.
Dabei sind alle Funktionalitäten auf Sicherheit ausgelegt. Der Rollstuhl ist per Handy, Joystick und sogar von der Ferne aus bedienbar. Man kann ihn wie einen Butler zu sich holen.
Mit besonderem Stolz zeigen uns die Gründer, wie ihr BRO Treppen meistern kann. Zuerst wird man «höher gelegt», sodass die Räder unten einer Raupe weichen können. Danach kommt eine ausgeklügelte und in unzähligen von Versuchen entwickelte Sensorik zum Einsatz. Der Rollstuhl nimmt «Stufe um Stufe» – es geht Treppen rauf und runter.
Treppensteigen ist für den BRO kein Problem. (Bilder: SCEWO)
Zuerst wird man «höher gelegt», sodass die Räder unten einer Raupe weichen können.
Doch der BRO kann noch viel mehr. So ist er höhenverstellbar.
Praktisch, wenn man einen Kaffee trinken will.
Die drei Gründer von SCEWO: Bernhard Winter, Thomas Gemperle und Pascal Buholzer (v.l.).
Eindrücklich, wie der BRO das meistert, wobei der Autor gestehen muss, froh zu sein, dass nicht er selbst zu diesem Zeitpunkt im Rollstuhl sitzt. Besonders beeindruckend ist, dass der kluge Rollstuhl auch eine Vielzahl von unterschiedlichen Treppenarten und Längen überwindet. Darin hebt er sich merklich von Konkurrenzprodukten ab.
Ein BRO kostet in der Schweiz etwa 30‘000 Franken. Wenn Sie eine Behinderung haben und auf den Rollstuhl angewiesen sind, erstattet Ihnen die Krankenkasse alle 5 Jahre einen entsprechenden Rollstuhl
Wir besuchen auf unserem weiteren Rundgang IT-, Test- und Produktionswerkstatt. Eindrücklich, wie klein die sich im Rollstuhl befindliche Steuerung (Hirn) im Verhältnis zur grossartigen Wirkung ist. Faszinierend auch, dass die bereits ausgelieferten Rollstühle mit einem Software-Update jeweils auf den neuesten Stand gebracht werden können - ähnlich wie beim Tesla.
Klar, die Sicherheits- und Qualitätskontrolle ist gewaltig. Auch benötigt man eine Zulassung der jeweiligen Behörden. Um Unfälle zu verhindern, sind viele Tests nötig sowie eine Balance zwischen der Soft- und der Hardware (z.B. Gewicht).
Da SCEWO die Rollstühle selbst zusammenbaut, bestehen auch Hardware-Lagerräume. Sollte ein «Grossauftrag» reinkommen, müssen die bestellten BROS in kurzer Zeit fertiggestellt werden.
Für alle, die sich mit UX-Design und Customer Experience beschäftigen, besteht mit dem BRO ein grossartiges Anwendungsbeispiel: Wie verhalten sich die betroffenen Menschen, was hilft ihnen wirklich, was ist in der Bedienung zu komplex und wie kann der BRO auch für die anderen Menschen positiv wahrgenommen werden?
Wer ist als Fussgänger nicht schon darüber erschrocken, als ihm plötzlich ein Unding eines elektronischen Rollstuhls im Wege stand. Ein geschmeidiges Design hilft auch gegen die Diskriminierung der Menschen mit Beeinträchtigungen und steigert deren Selbstwertgefühl.
Der Rundgang führt uns weiter zu den «Bürojobs»: Mitarbeiter im Content- und Marketingbereich kreieren Texte, bilden die Verpackung des BROS für die digitalen und Offline-Medien. Mitarbeitende im Verkauf - direkt an Private oder über Zwischenhändler - pflegen die Partnerschaften und Kunden. Kundenfeedbacks sind entscheidend und auch da begegnet uns auf Schritt und Tritt die User und Customer Experience.
Bereits sind 100 BROS verkauft, bereits ist SCEWO mit über 30 Mitarbeitenden längst ein Start-up mit KMU-Charakter. Die Pläne der drei Co-Founder gehen aber noch viel weiter.
Aktuell möchten sie stark nach Deutschland verkaufen. Auch andere europäische Länder stehen auf dem Plan der initiativen, engagierten und cleveren Manager. Derzeit sind sie auch am Überlegen, ob sie einen Markteintritt in die USA vornehmen sollen. Überall werden unterschiedliche Zulassungs-, Kontroll- und Qualitätsmanagement-Prozesse verlangt. Dies schreckt die jungen Unternehmer jedoch nicht ab.
Auch könnte das «Hirn» des BROS für andere Mobilitätsentwicklungen verwendet werden. Man kann sich vorstellen, dass der BRO als Roboter beispielsweise Handwerker beim Tragen schwerer Lasten über mehrere Etagen unterstützt oder sogar als «Treppenlift» in Privathaushalten verwendet werden kann. Ein interessanter Gedanke, der für die älter werdenden Menschen - mit oder ohne Behinderung - dereinst eine äusserst attraktive Weiterentwicklung darstellen könnte.
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