«Dieser Herbst ist der Wahnsinn. Noch im August waren wir sicher, dass es ein schlechtes Pilzjahr wird. Zu trocken war der Sommer, doch es hat im richtigen Moment geregnet. Nun findet man alle möglichen Arten im Wald – besonders Steinpilze spriessen aus dem Boden.
Am letzten Sonntag führten wir innerhalb von nur zwei Stunden in Baden 66 Kontrollen durch. Die Körbe waren prall gefüllt, teilweise waren auch nur Teile von Pilzen, ausgetrocknete oder giftige Arten darin – auch der tödliche Knollenblätterpilz sortierten wir immer wieder aus.
Man darf Steinpilze ruhig stehen lassen
Das Interesse am Pilze suchen hat in den letzten Jahren zugenommen, was eigentlich grossartig ist. Auch junge Leute treten vermehrt in unseren Pilzverein ein. Schade finde ich nur, dass manche Menschen kein Mass kennen. Das Sammeln scheint etwas Archaisches in uns zu wecken. Weil Pilze gratis sind, nehmen viele alles mit, was sie finden. So viel kann man gar nicht essen.
So darf man ruhig ein paar Steinpilze stehen lassen, wenn man mehrere an einer Stelle entdeckt. Damit kann man anderen eine Freude machen. Auch wenn man einen Pilz nicht kennt, empfehle ich, nur einen oder zwei mitzunehmen zur Pilzkontrolle. Es bringt doch nichts, wenn man acht Exemplare im Korb hat und diese dann wegschmeissen muss.
Im Herbst ist die 58-jährige Reni Sibold oft in den Wäldern unterwegs.
Sie appelliert, Pilze mit Mass zu sammeln.
So darf man ruhig mal Pilze stehen lassen.
Ich musste erst meinen Blick dafür schärfen
Bis ich 50 war, wusste ich nicht mal, wie ein Steinpilz aussieht. Mein Mann, der mittlerweile auch Pilzkontrolleur ist, hatte 2014 eher zufällig Kontakt zum Pilzverein Baden. Irgendwann gingen wir zusammen zu einem Bestimmungsabend. Von da an waren wir regelmässig mit den Mitgliedern im Wald. Drei bis vier Stunden suchten wir jeweils an den Wochenenden die Wälder ab. Am Anfang fand ich kaum was, ich musste erst meinen Blick dafür schärfen.
Klar, ich esse Pilze gerne und oft, am liebsten als Geschnetzeltes mit brauner oder weisser Sauce. Den Steinpilz finde ich gar nicht so besonders schmackhaft, da schneiden etwa Wieseltäublinge oder Eierschwämme besser ab.
Das ist wie Kino
Meine Faszination für die Mykologie geht aber weit über das Kulinarische hinaus. Pilze stecken voller Überraschungen und sind wunderschön. Wenn ich unter dem Mikroskop die Zellstrukturen betrachte, ist das wie Kino.
Vor vier Jahren liess ich mich in Landquart GR zur Pilzkontrolleurin ausbilden. Die Schulung dauert nur sieben Tage, doch man braucht wesentlich mehr Vorwissen, um die Prüfung zu bestehen. Bei dieser muss man unter anderem rund 500 Pilzarten kennen und die giftigen innerhalb von kürzester Zeit bestimmen können. Auch über das Lebensmittelgesetz sollten wir Bescheid wissen.
Fehler sind schnell passiert
Seither arbeite ich bei der Pilzkontrolle der Stadt Baden und erhalte dafür einen kleinen Lohn. Für die Bevölkerung ist dieser Service aber kostenlos und zur Hauptsaison ist die Kontrollstelle bei uns täglich geöffnet. Ich rate jedem, Pilze kontrollieren zu lassen. Oft sehen diese im Wald anders aus als auf der Smartphone-App oder in Büchern. Da sind Fehler schnell passiert.
Ich habe als Pilzkontrolleurin eine grosse Verantwortung. Deshalb bilde ich mich regelmässig an Kursen oder Tagungen weiter. Und wenn ich bei einer Kontrolle nicht sicher bin, dann gebe ich den Pilz nicht frei. Die giftigsten Pilze erkenne ich jedoch auf Anhieb.»
Mehr über den Pilzverein Baden
Haben Sie Lust, mehr über Pilze zu erfahren? Dann besuchen Sie doch den Pilz-Bestimmungsabend, der jeweils am Montag in den Räumlichkeiten des Pilzvereins Baden stattfindet. Auch Nichtmitglieder sind herzlich willkommen.
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