Herr Egli, am Freitag beginnt die Fussball-Europameisterschaft. Sind Sie schon nervös?
Andy Egli: Nach 46 Jahren im Profifussball bin ich nicht mehr wirklich aufgeregt – eine solche EM ist für mich fast schon «Business as usual». Speziell ist aber, dass die Schweiz dieses Mal bereits in der Gruppenphase auf das Gastgeberland Deutschland trifft. Und die Schotten gehören zu meinen Lieblingsgegnern.
Über Andy Egli
Andy Egli war zwischen 1978 und 1994 hauptberuflich Fussballspieler. In der Nationalliga A absolvierte er 726 Spiele, in der deutschen Bundesliga 31. Ebenfalls kam er bei 80 Spielen der Schweizer Nationalmannschaft zum Einsatz. Seit 1995 ist er als Trainer tätig und kommentierte unter anderem als Experte während vieler Jahren Fussballspiele für das Schweizer Fernsehen. Egli hat vier erwachsene Kinder und 8 Enkel. 2015 erkrankte er an Hodenkrebs und bekämpfte die Krankheit erfolgreich.
Wie weit wird die Schweizer Nati denn kommen?
Im Achtelfinale werden wir ziemlich sicher spielen. Ich hoffe auf das Viertelfinale, aber das wird nicht einfach. Auf diesem Weg wird die Schweiz auf starke Gegner wie Italien, Spanien, Kroatien (als Gruppenzweiter), Dänemark, England (als Gruppensieger) oder Belgien, Portugal (als Gruppendritter) treffen. Ich finde aber, dass die Nati momentan gut in Form ist. Das letzte Testspiel gegen Österreich hat sie mit 1:1 solide gemeistert.
Wer wird denn Europameister?
Ich tippe auf Spanien, doch auch die italienische oder kroatische Mannschaft ist stark. Den Gastgeber Deutschland sehe ich zurzeit nicht so weit vorn. Aber vielleicht wiederholt sich ja das Sommermärchen von 2006, als die Deutschen in ihrem eigenen Land bei der WM unerwartet den dritten Platz holten.
Als ehemaliger Fussballer und amtierender Trainer verfolgen Sie sicher jedes Spiel.
Nur wenn es passt. Als Coach, Trainer und Experte bin ich aber Tag für Tag mit dieser Sportart beschäftigt und an vielen Anlässen dabei. Da fehlt mir die Zeit, um alle EM-Spiele zu schauen. Wenn aber die Schweiz spielt, werde ich dies als Experte jeweils für verschiedene Veranstalter kommentieren.
Sie sind auch im Rentenalter sehr aktiv. Unter anderem sind Sie seit 2022 Co-Trainer beim Frauenfussball des FC Breitenrain in Bern.
Diese Aufgabe bereitet mir viel Freude. Natürlich handelt es sich um einen Amateurverein und lässt sich nicht mit dem Profifussball vergleichen. Aber der FC Breitenrain wird immer besser und ich sehe im Frauenfussball eine grosse Zukunft.
Denken Sie mit 66 Jahren manchmal auch ans Aufhören?
(lacht) Dass ich das Pensionsalter schon erreicht habe, merke ich nur, wenn mir einmal pro Monat die AHV-Rente überwiesen wird. Ich fühle mich topfit und liebe es, beruflich täglich mit Menschen und Fussball zu tun zu haben – schliesslich ist es solch eine coole Sportart.
Spielen Sie diese heute noch aktiv?
Manchmal hat der FC Breitenrain nicht genügend Spielerinnen, dann springe ich ein – häufig als Goalie. Hauptsächlich halte ich mich aber mit Krafttraining und Velofahren fit – ich empfehle jedem im Alter körperlich und geistig aktiv zu bleiben.
Wie kamen Sie als junger Mann zum Fussball?
Ich habe schon als kleiner Bub unglaublich gerne Fussball gespielt. Mit zwölf Jahren trat ich in den FC Amriswil ein. Dort wurden dann GCZ-Trainer auf mich aufmerksam und als 20-Jähriger wechselte ich zum Grasshopper Club Zürich. Es war aber nie mein Traum, Fussballer zu werden, sondern hat sich einfach so ergeben. Diesen Beruf gab es damals in der Schweiz noch nicht.
Trotzdem spielten Sie 16 Jahre lang erfolgreich Fussball – 80 Spiele absolvierten Sie für die Schweizer Nati. Warum waren Sie niemals bei einer EM dabei?
Damals durften viel weniger Mannschaften mitspielen als heute. Das war auch gut so. Dass nun fast jedes Land daran teilnehmen darf, halte ich für falsch. Das nimmt dem Wettkampf seine Exklusivität.
1994, am Ende meiner Spieler-Karriere, wurde ich für die WM in den USA aufgeboten. Ich kam dort zwar nicht zum Einsatz, da wir sehr schnell ausschieden. Trotzdem war die Teilnahme der Höhepunkt meiner Fussballer-Laufbahn. Die Stimmung vor Ort war unbeschreiblich.
Wie hat sich der Profifussball seit Ihrer aktiven Zeit geändert?
Er ist athletischer und dynamischer geworden. Während es vor 45 Jahren noch durchschnittlich 200 Pässe pro Spiel gab, sind es heute 600. Die Anforderungen an die heutigen Spieler sind deshalb gestiegen und damit auch der Konkurrenzkampf. Klar, heute kann man als Profifussballer ein kleines Vermögen verdienen, das war zu meiner Zeit nicht möglich.
Was raten Sie jungen Menschen, die diesen Weg gehen möchten?
Sie sollten sich immer wieder hinterfragen, ob Fussball wirklich ihre ganz grosse Leidenschaft ist. Wenn ja, dann ist es möglicherweise der Sport, den sie sehr häufig ausführen möchten. Doch auch wenn man keine Profikarriere einschlägt, ist Fussball eine tolle Lebensschule und macht einfach Spass.
Profispieler müssen heute nicht nur topfit sein, sie stehen auch ständig im Scheinwerferlicht.
Das ist so. Bereits zu meiner Zeit war das mediale Interesse riesig. Ich fand es nicht immer einfach, als junger Mensch dermassen in der Öffentlichkeit zu stehen. Ständig muss man aufpassen, wie man sich verhält und was man sagt. Im Gegensatz zu heute wurden wir jedoch nicht von Mediensprechern begleitet. Ich sagte frei heraus, was ich denke, und nahm kein Blatt vor den Mund. Grössere Probleme hatte ich deswegen nie. Heute wäre dies wohl nicht mehr so einfach möglich.