Ich bin selbst bereits alt und gehe jetzt einmal davon aus, dass nicht nur ich, sondern jedermann den Wunsch hat, im Alter möglichst selbstbestimmt leben zu können. Aber was heisst das? Wir sind Angehörige einer Gesellschaft, die zunehmend das Individuum und seine Bedürfnisse ins Zentrum stellt.
Als Folge davon sind wir uns häufig selbst die Nächsten. Wir haben weitgehend verlernt, uns unterzuordnen oder uns unseren Weg vorschreiben zu lassen. Aber sofern wir nicht früh sterben, kommt das Alter unausweichlich auf uns zu, auch wenn die Lebenserwartung sich gewaltig verlängert hat. Selbst wenn man einigermassen gesund alt werden darf, wächst die Abhängigkeit. Man wird langsamer, die Kräfte lassen nach – wenn man Glück hat, vor allem körperlich und weniger geistig. Man wird von kleineren oder auch grösseren Beschwerden geplagt.
Jetzt kostenlos anmeldenWas man gegen die Vereinsamung tun kann
Im gleichaltrigen Umfeld wird gestorben. Man bleibt jedes Mal zurück. Die Gefahr der Vereinsamung nimmt zu und vor allem auch das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. Man fühlt sich zum alten Eisen gehörig, zieht sich zunehmend zurück und wird im schlimmsten Fall depressiv. Wenn dieses Stadium erreicht ist, wird kaum noch etwas aus dem selbstbestimmten Alter. Man ist seinem Zerfall ausgeliefert und damit auch den Entscheiden, die von anderen über das eigene Leben gefällt werden.
Das beste Gegenmittel ist nach meiner Beurteilung, sein Umfeld zu pflegen. Zum einen die familiären Bande, aber auch seine Freunde. «Man soll nie anfangen, aufzuhören und man soll nie aufhören, anzufangen!» ist dazu ein empfehlenswertes Konzept. Die heutige, sehr fortgeschrittene Medizin hilft einem dabei. Allerdings braucht es auch den eigenen Antrieb. Man muss sich unter Umständen zwingen, sich zu bewegen, beim Essen Mass zu halten und sich um die Tagesaktualitäten zu kümmern. Nur so kann man als Gesprächspartner interessant bleiben.
Über Vreni Spoerry
FDP-Politikerin Vreni Spoerry (Jg. 1938) sass von 1983 bis 1996 im Nationalrat und von 1996 bis 2003 im Ständerat. Die Juristin ist verheiratet und hat drei Kinder. Ebenfalls war sie für mehrere Unternehmen als Verwaltungsrätin tätig, darunter auch für die ehemalige Fluggesellschaft Swissair.
Ich möchte möglichst geräuschlos abtreten
Und dann bleibt die Hoffnung, aus dem vollen Leben heraus möglichst geräuschlos abtreten zu können. Das wünschen sich wohl die Meisten und das wünsche ich mir auch für mich selbst. Wichtig ist, dass man eine Patientenverfügung formuliert hat, damit die Angehörigen im Bedarfsfall wissen, wie sich die Betroffenen ihren Abgang vorgestellt haben.
Beatrice TschanzSollte ich pflegebedürftig und total abhängig werden, hoffe ich, dass ich noch genügend Verstand haben werde, meinem Leben ein Ende setzen zu lassen. Das ist in der Schweiz glücklicherweise möglich. Ohne Lebensqualität und ohne Selbstbestimmung ist das Leben aus meiner Sicht nicht mehr lebenswert. Mir ist allerdings bewusst, dass dieser Entscheid Mut braucht. Es ist einfach, sich das als Plan auszudenken, die praktische Durchführung aber ist wohl sehr viel schwerer. Ich habe grossen Respekt vor allen, die diesen letzten Schritt gewagt haben und sich damit ein selbstbestimmtes Leben bis ganz zum Schluss sicherten.
Toni Bortoluzzi