Toni Vescoli, mit fast 80 Jahren rocken Sie noch immer die Bühne. Wie halten Sie sich fit?
Toni Vescoli: Die Musik ist mein Lebenselixier. Sie hält mich jung und geistig fit. Texte lernen und die Koordination von Körper und Rhythmus sind das beste Training fürs Hirn. Zudem mache ich Krafttraining und walke wenn möglich jeden Tag. Das schnelle Gehen trainiert meine Lunge. Für das Singen ist das sehr wichtig. Damit mir auf der Bühne nicht plötzlich die Luft wegbleibt (lacht).
Wie wichtig ist Ihnen eine gesunde Ernährung?
Sehr wichtig. Ich esse wenig Fleisch und viel Gemüse, Salate und so. Nüsse auch. In meinem Zmorgenmüsli sind sieben verschiedene Nusssorten. Ich habe nie exzessiv gelebt, rauche nicht. Und das Wichtigste ist: Ich habe eine liebe Frau, die mich unterstützt bei allem, was ich mache.
Tun Sie auch etwas zur Entspannung, zum Beispiel Yoga?
Nein, dafür mache ich immer ein Mittagsschlöfli. Und trinke eis oder zwei Gläsli Wy zum Znacht.
Sie sind seit über 50 Jahren verheiratet und führen mit Ihrer Frau Ruthli eine innige Partnerschaft. Wie wichtig ist Liebe und Sex für die Vitalität?
Sehr wichtig. Wir führen ein harmonisches Eheleben und hatten eigentlich nie Beziehungsstress. Natürlich gehört Erotik und Zärtlichkeit zu einer guten Ehe.
Wie gehen Sie mit der coronabedingten Zwangspause um?
Dass ich seit nunmehr eineinhalb Jahren nicht mehr auftreten kann, ist natürlich sehr schade. Und da ist auch die Ungewissheit, was die Konzertplanung betrifft. Das alles macht mir schon zu schaffen. Aber was soll ich machen? Praktisch allen Musikern und Künstlern geht es so wie mir. Ich versuche, das Beste aus der Situation zu machen und nehme es einfach so wie es chunnt.
Sie sind ein unermüdlicher Schaffer. Langweilig wird es Ihnen auch jetzt nie, oder?
Ja, ich bin ja quasi ein Einmann-KMU und mache alles selbst. Ich bin nicht nur Interpret und Komponist, sondern auch mein eigener Produzent und Manager. Auch die Plakate gestalte ich selbst. In der Coronazeit habe ich angefangen, für meine Fans kleine Musikvideos mit dem Handy zu drehen.
Zeitlebens haben Sie Ihr eigenes «Ding» gemacht. Als Jugendlicher rebellierten Sie, lehnten sich gegen Ihren autoritären und gewalttätigen Vater auf. Sind Sie noch immer der Rebell von früher? Ich selbst habe mich nie als Rebell gesehen. Ich bin eher ein zurückhaltender Typ. Der Auszug aus meinem Elternhaus war für mich wie eine Befreiung. Ich stand gnadenlos unter der Knute meines Vaters. Er hatte mir sogar verboten, Musik zu spielen. Ich spielte dann heimlich, wenn er nicht da war, oder bei Freunden. Später musste ich feststellen, dass man nicht immer nur das machen kann, was man selber will. Man muss auch auf die Menschen luege, mit denen man zusammenlebt, und sich anpassen können. Mit Diplomatie und Beharrlichkeit erreicht man meistens mehr als mit dem Kopf durch die Wand, das weiss ich aus Erfahrung.
Über Toni Vescoli
Toni Vescoli (Jg. 42) gehört seit Jahrzehnten zu den Stars der Schweizer Show- und Musikszene. Die 1962 von ihm gegründete Band Les Sauterelles ging als die «Schweizer Beatles» in die Geschichte ein. Mit ihrem Hit Heavenly Club von 1968 stürmte die Band die Hitparaden. Anfang der Siebzigerjahre startete der Zürcher Singer-Songwriter («Schweizer Bob Dylan») seine Karriere als Solokünstler. Vescoli tritt seit vielen Jahren in unterschiedlichen Formationen auf. Sein aktuelles Soloalbum mit Mundartsongs heisst «Gääle Mond» (2019). Im August 2021 werden die Les Sauterelles erstmals mit der Pepe Lienhard Band gemeinsam auf der Bühne stehen. Alle Auftritte von Toni Vescoli unter www.vescoli.net.
Seit fast 60 Jahren stehen Sie auf der Bühne. Wie haben sich Ihre Auftritte im Vergleich zu früher verändert?
Eigentlich kaum. Ich fühle mich ja nicht älter. Nur die Fassade ist halt etwas brüchiger und faltiger geworden (lacht). Klar, ich bin nicht mehr zwanzig. Nach dem Konzert spüre ich es in den Knochen. Aber ich sage dann immer: Wenn man so alt ist wie ich und keine Rückenschmerzen hat morgens beim Aufstehen, sollte man besser in den Spiegel schauen, um sich zu vergewissern, dass man den Löffel noch nicht abgegeben hat.
Und wie haben sich die Fans verändert?
Viele Fans sind gemeinsam mit mir älter geworden. Einige kommen leider nicht mehr zu meinen Konzerten, weil sie abends nicht mehr aus dem Haus gehen oder nicht im Dunkeln Auto fahren wollen. Das macht mich schon auch traurig. Ich würde mir wünschen, dass sie sich trotzdem aufraffen könnten, und dass mir alle Fans auch nach dem Ende der Pandemie die Treue halten werden.
Macht Ihnen der Gedanke, nicht mehr auftreten zu können Angst?
Nein, eigentlich nicht. Ich nimm es so, wie es chunnt. In meinem Alter denkt man unweigerlich an die Zeit danach. Vor allem in der Corona-Zwangspause habe ich mich gefragt, ob ich meine Musikerkarriere beenden soll, ob jetzt nicht der richtige Moment wäre, die Gitarre an den Nagel zu hängen. Aber vorerst will ich noch weitermachen, mindestens zwei oder drei Jahre. Ich fühle mich fit und gesund. Im Alltag nehme ich mir einfach etwas mehr Zeit für alles. Wenn ich zum Beispiel eine E-Mail schreibe, gebe ich mir mehr Mühe und kontrolliere alles zweimal, bevor ich sie abschicke.
Seit vielen Jahren ist Teneriffa auf den Kanarischen Inseln Ihr zweiter Wohnsitz. Ist das Leben dort angenehmer als in der Schweiz?
Das milde und ausgeglichene Klima auf Teneriffa tut uns einfach gut. Geld spielt natürlich auch eine Rolle, schliesslich habe ich nur die AHV. Auf Teneriffa ist das Leben viel günstiger als in der Schweiz, um rund die Hälfte. Wir brauchen dort nicht viel Geld, um gut leben zu können. Seit eineinhalb Jahren müssen wir vom Ersparten leben, weil ich keine Konzerte mehr geben kann.
Denkt ein Rock 'n' Roller auch an solche Themen wie Vorsorge und Pflegebedürftigkeit? Wie stellen Sie sich ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben vor, falls Sie einmal pflegebedürftig werden sollten?
Die Liegenschaften auf Teneriffa und in der Schweiz sichern uns für das Alter finanziell ab. Ich möchte so sterben wie mein Vater, der nachts friedlich eingeschlafen ist. Ein Leben in Pflege kann unter Umständen relativ angenehm sein. Oder aber fürchterlich unangenehm, wenn man an Schläuchen hängt oder weiss Gott was. Weiter möchte ich lieber nicht darüber nachdenken. Me muess dänn eifach näh, was chunnt. Es chunnt sowieso wie es will.
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