Pepe Lienhard, statt wie geplant in Basel auf der Bühne zu stehen, reisten Sie im Februar nach Costa Rica. Was war passiert?
Pepe Lienhard: An der traditionsreichen Basler Vorfasnachtsveranstaltung «Mimösli» war ich als Gastsolist angekündigt gewesen. Doch die Veranstaltung wurde zu Jahresbeginn abgesagt, weil der Vorverkauf schlecht lief. Alle vierzig Auftritte im Januar und Februar fielen ins Wasser.
Wie ging es dann weiter?
Für mich und meine Frau war es ein wirklich harter Jahresanfang. Doch statt Trübsal zu blasen, buchten wir spontan zwei Wochen Ferien in Costa Rica. Es war schon meine dritte Reise in das mittelamerikanische Land.
Was fasziniert Sie an Costa Rica?
Für einen Hobbyornithologen wie mich ist es das Paradies. Dort kann man den Quetzal, den Göttervogel, gut beobachten. Er trägt ein grün- und scharlachrot gefärbtes Federnkleid. Ein einmalig schöner Vogel. Früher hatte ich eine Voliere mit exotischen Vögeln wie Tukanen und Ara-Papageien.
Wie sieht der Alltag im Hause Lienhard aktuell aus?
Eben gerade habe ich ein Rührei zum Frühstück gegessen, gekocht aus frischen Eiern von meinen Hühnern. Das ist mein Morgenritual. Ich kümmere mich gerne um die Tiere. Den Stall putzen und morgens die Hühner füttern ist für mich eine schöne Zerstreuung.
Aktuell bin ich vor allem mit den Vorbereitungen für die bevorstehende Schweiz-Tournee beschäftigt, die im Mai beginnt. Dazu höre ich mir Musikstücke an, die wir ins Programm aufnehmen könnten, und studiere die Arrangements. Zwischendurch übe ich Saxofon und gehe mit dem Hund spazieren.
Wegen der Pandemie sind Sie in den vergangenen zwei Jahren nur selten aufgetreten. Was haben Sie in dieser Zeit gemacht?
Es war mir nie langweilig. Die freie Zeit nutzte ich, um mein Archiv mit all den Videos und Fotos zu digitalisieren. Meine Frau hatte das Projekt an die Hand genommen, und gemeinsam haben wir den Grossteil bewältigt. Natürlich fehlten mir die Auftritte sehr. Als Live-Musiker und Entertainer brauche ich die Bühne. Umso grösser ist die Vorfreude auf die bevorstehende Schweiz-Tournee mit meiner Big Band. Darauf freue ich mich wahnsinnig.
Worauf freuen Sie sich am meisten?
Mit einer so tollen Band auf der Bühne zu stehen, ist für mich einfach das Grösste. Auf der Bühne bin ich der glücklichste Mensch.
Was dürfen die Fans von der neuen Tournee erwarten?
Die Tournee steht unter dem Motto «Music was my first love» – Musik war meine erste Liebe. Der Swing-Sound der Big Band war tatsächlich meine erste grosse Liebe. Wir spielen unter anderem den gleichnamigen Song von John Miles, arrangiert für Big Band, Chor und Solo-Sänger. Weiter haben wir Queens «Bohemian Rhapsody» und populäre Swing-Stücke, wie zum Beispiel von Glenn Miller, im Programm. Udo Jürgens darf auch nicht fehlen. Er war und bleibt ein wichtiger Teil meines Lebens.
Über Pepe Lienhard
Er gehört zu den bekanntesten Musikern des Landes: Pepe Lienhard (76). Der internationale Durchbruch gelang dem Saxofonisten, der mit vollständigem Namen Peter Rudolf Lienhard heisst, 1977 mit seinem damaligen Sextett bei der Teilnahme am Concours Eurovision de la chanson (Eurovision Song Contest). Mit dem Titel «Swiss Lady» (Komposition: Peter Reber) erreichte der Bandleader den sechsten Platz. Weitere Hits waren «Sheila Baby» oder «Piccolo Man».
1980 gründete der gebürtige Aargauer seine Big Band. Über Jahrzehnte war Lienhard samt Band der musikalische Tournee-Begleiter von Udo Jürgens. Mit seiner Formation übernahm er auch die musikalische Begleitung von Weltstars wie Frank Sinatra, Whitney Houston, Sammy Davis Jr., Paul Anka oder Quincy Jones. Seit 2011 ist Pepe Lienhard mit Christine (52) verheiratet. Aus erster Ehe hat er zwei Töchter sowie zwei Söhne aus früheren Beziehungen.
Ihre Karriere ist eng mit jener von Udo Jürgens verknüpft. Während 37 Jahren begleiteten Sie den Entertainer mit Ihrer Bigband auf dessen Tourneen – bis zu seinem Tod im Dezember 2014.
Ich habe ihm so viel zu verdanken. Dass wir mit Udo all die Jahre unterwegs waren, war ein riesengrosser Glücksfall. Er war der Grösste im deutschen Showbusiness, ein Star. Wir flogen gemeinsam um die ganze Welt. Ohne ihn hätte ich überhaupt nicht die Möglichkeit gehabt, so viele Jahre mit dieser tollen Band zu arbeiten. Kennengelernt hatte ich Udo übrigens 1974 in Wiesbaden.
Nach Udos Tod, haben Sie da ans Aufhören gedacht?
Nein, keine Sekunde, obschon Udos Tod eine Zäsur für mich und meine Musiker bedeutete. Quasi von heute auf morgen brach die Arbeit weg, weil die Tourneen und Auftritte nicht mehr stattfanden. Sein Tod riss eine grosse Lücke in mein Leben.
Über die Jahre hatte sich eine enge Freundschaft entwickelt. Wie würden Sie diese beschreiben?
Es war eine wunderbare Männerfreundschaft. Wir haben uns regelmässig verabredet. Er wohnte ja nicht weit von mir entfernt, am Untersee. Das ist der kleinere See des Bodensees. Wir trafen uns oft zum Abendessen in einem guten Lokal, oder er schaute bei uns vorbei. Wir konnten über alles reden, über Politik, das Älterwerden, über Frauen, die Liebe …Wir haben viel gelacht. Ich vermisse ihn sehr.
Wie nahmen Sie von Udo Abschied?
Am Tag vor seinem Tod waren wir essen. Zum Abschied umarmte er mich und bedankte sich für alles. Niemand konnte ahnen, dass es ein Abschied für immer sein sollte und ich am nächsten Tag an seinem Totenbett sitzen würde. Lange habe ich neben ihm gesessen, ich konnte es einfach nicht glauben. Es war schwer, aber ich bin dankbar, dass ich diese letzten Momente mit ihm verbringen durfte.
Einer Ihrer Lieblingssongs von Udo Jürgens ist «Was ich dir sagen will». Was würden Sie Ihrem Freund heute sagen wollen?
Ich würde ihm danke sagen. Für all die vielen guten Stunden, die wir gemeinsam erlebt haben. Und dass er das Leben geniessen und sich weniger Sorgen machen soll.
Was bedrückte ihn?
Die Endlichkeit seiner Existenz. Er war ja schon achtzig Jahre alt. Obwohl er fit und gesund war, hatte er den Tod vor den Augen.
Sie sind 76 Jahre alt. Wie gehen Sie mit dem Thema Sterben um?
Im Gegensatz zu Udo mache ich mir keine Gedanken über den Tod. Ich bin ein optimistischer und fröhlicher Typ. Ich geniesse jeden Tag so wie er ist und bin dankbar für das Leben, das ich leben darf. Mein Vorbild ist der deutsche Bandleader Hugo Strasser, der noch mit 93 Jahren auf der Bühne stand.
Haben Sie eine Vorstellung darüber, wie ein würdevolles und selbstbestimmtes Leben aussehen könnte, falls Sie einmal pflegebedürftig werden sollten?
Ich wünsche mir, dass ich möglichst lange in meinen eigenen vier Wänden bleiben kann. Wir wohnen in einem umgebauten Bauernhof. Die vielen Treppen sind nicht gerade altersgerecht. Früher oder später werden wir in eine Wohnung umziehen müssen. Altersheim? Lieber nicht. In jedem Fall möchte ich zusammen mit meiner Frau alt werden. Eine Patientenverfügung habe ich schon vor vielen Jahren gemacht.
Ist es ein beruhigendes Gefühl, im Alter eine Frau an seiner Seite zu haben, die jünger ist?
Als ich Christine kennenlernte, hatte ich keine Hintergedanken. Ich war nicht auf der Suche nach einer Krankenschwester. Im Ernst: Ich habe eine liebevolle Partnerin, die sich um mich und mein Wohlbefinden sorgt. Das grosse Vertrauen auf allen Ebenen und das Gefühl, gegenseitig gut aufgehoben zu sein, ist schon ein beruhigender Gedanke.
Mit Christine sind Sie seit bald elf Jahren verheiratet. Was zeichnet eine gute Partnerschaft im Alter aus?
Das Wichtigste in einer Beziehung ist die ehrliche Liebe zum Partner. Christine und ich sind ein eingespieltes Team. Wir unterstützen uns gegenseitig, auch in schwierigen Zeiten. Die eingangs erwähnte Absage von vierzig Auftritten war ein Schlag in die Magengrube, nicht zuletzt aus finanziellen Gründen.
Wie verschmerzten Sie diesen Reinfall?
Meine Frau fing mich auf. Sie war es, die vorgeschlagen hatte, trotz der Einbussen kurzfristig nach Costa Rica zu fliegen. Das würden wir schon hinkriegen, meinte sie. Rasch richteten wir den Fokus dann auf die neuen Projekte, auf die Tournee und die neue CD. Jetzt, nach den schönen Ferien, geht es mir wieder gut und ich bin voller Vorfreude auf das, was kommt.
2018 bekamen Sie ein neues Hüftgelenk. Wie halten Sie sich fit für die Auftritte?
Mit täglichen Spaziergängen mit meinem Hund und mit Krafttraining. Zu Hause habe ich einen Ergometer und eine Kraftstation.
Trinken Sie viel Alkohol?
Nein, im Alter wird man vernünftig. Früher schlug ich öfters über die Stränge und trank zu jedem Abendessen mehrere Gläser Wein. Heute vertrage ich keinen Rausch mehr. Die Flasche Rotwein reicht jetzt für zwei oder drei Abendessen.
Ich habe einen erlesenen Weinkeller mit italienischen, spanischen und südamerikanischen Weinen. Mein absoluter Lieblingswein ist der Cheval des Andes, ein argentinischer Spitzenwein. Eine Flasche kostet so um die hundert Franken. Deshalb serviere ich ihn auch nur dann, wenn wir gute Freunde zu Gast haben.
Haben Sie ein anderes Laster?
Ja, ich liebe deftiges Essen mit einem durchzogenen Stück Fleisch. Zum Glück passt meine Frau auf, dass ich auch Gemüse esse. Sie ist eine hervorragende Köchin.
Wie hat sich das Show- und Musikgeschäft über die Jahrzehnte verändert?
Die Branche hat sich enorm verändert. Früher verdiente man das Geld mit Platten. Heute verdient man mit Tonträgern kaum noch Geld. Streamingdienste wie zum Beispiel Spotify werfen für die Künstler kaum was ab. Für mich persönlich hat sich trotzdem nicht so viel verändert, denn als Live-Musiker bin ich nicht von Verkäufen abhängig.
Talentförderung lag Ihnen stets am Herzen. Das musikalische Geschwisterpaar Tanja und Phil Dankner nahmen Sie mit auf Tournee, als diese noch sehr jung waren. Welchen Rat möchten Sie jungen Musikern mit auf den Weg geben?
Das Handwerk zu beherrschen, ist das A und O. Deshalb rate ich immer zu einem Musikstudium. Wenn es mit der Solo-Karriere nicht klappen sollte, so hat man wenigstens ein Diplom in der Hand und kann als Musiklehrer arbeiten. Der Erfolg hängt von vielen Faktoren ab, Talent allein reicht nicht. Man braucht auch viel Glück. Mein Motto: Bereite dich aufs Glück vor, wenn es kommt, dann bist du bereit, es zu greifen.
Apropos Glück, Sie haben zwei kleine Enkel. Was unternimmt Grosspapi Pepe mit seinen Grosskindern?
Wegen der Coronabeschränkungen waren Treffen und Ausflüge lange Zeit nicht möglich. Nachdem diese grösstenteils aufgehoben worden sind, freue ich mich auf die Zoo-Besuche. Vielleicht werden sie mich im Mai an die eine oder andere Konzertprobe begleiten. Ab und zu spiele ich den Kleinen etwas auf dem Saxofon vor. Ich glaube, dass sie meine Musik mögen. Elllis, er ist fünf, hat auch schon auf dem Klavier herumgeklimpert.
Fänden Sie es gut, wenn Ihre Enkel den Berufsweg eines Musikers einschlagen würden?
Das hängt vom Talent ab, und ob sie den Biss haben, täglich diszipliniert zu üben. Wären sie absolute musikalische Überflieger, dann würde ich sie in jedem Fall ermutigen, diesen Beruf zu ergreifen.
Sie stehen seit fünfzig Jahren auf der Bühne und erfreuen sich einer grossen Popularität. Bleibt man als erfolgreicher Musiker und Entertainer ein Leben lang abhängig vom Zuspruch des Publikums?
(denkt nach) Die Antwort werde ich erst dann kennen, wenn niemand mehr etwas von mir wissen will. Das ist zum Glück noch nicht der Fall. Fast täglich werde ich auf der Strasse angesprochen, auch im Ausland, und bekomme Komplimente. Über solche spontanen Begegnungen freue ich mich immer. Ehrliches Lob tut gut und schmeichelt mir. Ruhm und Ehre sind aber nicht das Wichtigste im Leben, sondern eine erfüllende Partnerschaft.
Was steht auf Ihrer Wunschliste zuoberst?
Meine Frau und ich wollen unsere Spanischkenntnisse verbessern, damit wir uns mit den Einheimischen in Mittel- und Südamerika besser unterhalten können.
Zusammen mit Schwiegersohn Kevin und Enkel Ellis möchte ich ein Fussballspiel des FC Liverpool im Anfield-Stadion erleben. Beide sind grosse Fussballfans.
Weiter wünsche ich mir, dass ich noch viele Jahre auf der Bühne stehen kann. Musik zu machen bis ins hohe Alter, davon träume ich. Solange meine Gesundheit mitmacht, ich Spass habe und das Publikum mich sehen will, mache ich weiter.
Wann schreiben Sie Ihre Autobiografie?
Ich habe nicht vor, eine Autobiografie zu schreiben. Alles, was ich zu erzählen habe, ist schon gesagt.
Ihre Lebensgeschichte wäre bestimmt ein Bestseller.
Dann fragen Sie mich nochmals, wenn ich achtzig geworden bin.