Herr Sieber, woher nehmen Sie mit 79 Jahren die Energie, um so ein grosses Projekt wie die Wiederaufnahme des Musicals «Heiweh-Fernweh» zu stemmen?
Meine geistige und körperliche Verfassung ist für mich ein Glücksfall. Es scheint, dass ich sehr gute Gene habe. Vielleicht hat es auch damit zu tun, dass ich immer aktiv und gefordert bin. Klar merke ich, dass ich nicht mehr zwanzig bin – aber ich fühle mich durch und durch gesund.
Was tun Sie für Ihre Gesundheit?
Für meine miserable Kondition trage ich selbst die Verantwortung. Ich sollte mich unbedingt mehr bewegen. Ich spiele zwar regelmässig Golf und bin viel unterwegs, habe mir aber jetzt vorgenommen, meinem Rudergerät wieder mehr Beachtung zu schenken.
Die Wiederaufnahme von «Heiweh-Fernweh» ist ein «Hoselupf», aber mein Arzt hat mir grünes Licht gegeben. Es liegt an mir, meine physischen Grenzen zu erkennen.
Im Musical «Heiweh-Fernweh» spielt eine Hippie-Truppe eine zentrale Rolle. Wie habe Sie die Hippie-Zeit erlebt, ausgelebt? Sie waren in den 60er-Jahren anfangs zwanzig…
Ich war damals schon mit meiner Karriere beschäftigt. Um mich als Hippie auszuleben, hat schlichtweg die Zeit gefehlt. Selbstverständlich sind das Musical «Hair» und das Woodstock-Festival nicht spurlos an mir vorbeigegangen. Aber ich war weit davon entfernt, in farbigen Kleidern durch die Bahnhofstrasse zu hüpfen.
Der mehrfachen Prix-Walo-Gewinner Max Sieber (Jg. 43) produzierte jahrzehntelang für das Schweizer Fernsehen TV-Shows wie Teleboy mit Kurt Felix oder Benissimo mit Beni Thurnheer. Ebenfalls war er als Regisseur für erfolgreiche Theater- und Musicalproduktionen wie «Die kleine Niederdorfoper» oder «Titanic» tätig.
Ebenfalls blieben Sie lange kinderlos und wurden mit bald 50 erst Vater. Warum so spät?
Ich finde nicht, dass ich ein Spätzünder bin. Für mich war es der perfekte Zeitpunkt, erst mit bald 50 Vater zu werden. Ich war mir sehr bewusst, was ich tat und wie die Prioritäten zu setzen sind. Ich bin überzeugt, dass ich der bessere Vater geworden bin, als wenn ich diesen Schritt mit 30 getan hätte.
Warum?
Ich habe meine Tochter Cristina nicht mit Lenken und Führen, sondern Ermöglichen und Fördern durchs Leben begleitet. Mir war es völlig egal, welchen beruflichen Weg sie wählt. Aber natürlich freute es mich, dass wir jetzt bei «Heiweh-Fernweh» zusammenarbeiten.
Wir pflegen einen sehr offenen und ehrlichen Austausch miteinander – auch was Cristinas Leistung als Sängerin auf der Bühne anbelangt. Wobei ich da sagen muss, dass sie strenger mit sich selbst ist als ich mit ihr.
Mundartsongs spielen in «Heiweh-Fernweh» eine zentrale Rolle. Welche Musik gefällt Ihnen?
Ganz besonders mag ich die Popmusik der 90er-Jahre. Aber selbstverständlich mache ich auch Abstecher in den klassischen Bereich. Und: ja, ich habe meiner Tochter auch vorgesungen. Allerdings nicht die gängigen Gutenacht- und Kinderlieder, sondern «I was born on a wandering Star› von Lee Marvin» – es ist mein Lieblingslied und passt perfekt zu meiner Stimmfarbe.
Ihre Tochter hat Ihnen zum letzten Geburtstag das Lied «Du bist mein Held» geschenkt. Eine grosse Wertschätzung für Sie als Vater…
Das Lied hat mich sehr berührt und widerspiegelt unsere vertraute Beziehung. Wir nehmen uns jedes Jahr Zeit und verreisen 1 Woche zusammen. Nur Cristina und ich. Früher hat sie das Reiseziel ausgesucht, ich habe die Ferien gebucht und bin als Begleiter und Aufpasser dabei gewesen.
Und heute?
Jetzt hat sich das Blatt gewendet: Sie organsiert alles und ich bin «nur noch» Passagier und Mitreisender. Wir verstehen uns gut und erkennen ohne viele Worte die jeweilige Gefühlslage des anderen. Wenn man eine gute und offene Beziehung mit seinem Kind leben kann, ist das ein riesiges Glück – ich bin dafür sehr dankbar.
Eine Szene aus dem Erfolgsmusical.
«Heiweh-Fernweh» ist der Titel Ihres Musicals. Kennen Sie diese Gefühle aus Ihrem eigenen Leben?
Ja, Heimweh und Fernweh geben sich in meinem Leben die Hand. Wenn ich länger in der Schweiz bin, dann zieht es mich in die Ferne. Und wenn ich im Ausland bin, dann finde ich es plötzlich wahnsinnig schön, wieder heimzureisen und freue mich sehr darauf. Noch dies: Der Titel des Musicals ist die einzige Parallele zu meinem Leben – die Geschichte ist dominiert durch die Musik und hat mit meiner Realität wenig zu tun.
Gibt es auch wehmütige Augenblicke in Ihrem Leben?
Nein, Wehmut kenne ich nicht. Fast alle Wünsche, die ich hatte, gingen in Erfüllung, bzw. habe ich mir erfüllt. Das Einzige, was nicht geklappt hat, war die Produktion eines Kinofilms – aber das macht mich nicht wehmütig.
Sie geniessen nach wie vor grossen Respekt im Showbusiness. Wie machen Sie das?
Wenn man sich der Lebensphase entsprechend bewegt, bleibt man authentisch und glaubwürdig. Dementsprechend respektvoll wird man dann von seinem Umfeld behandelt. Man muss selbst seine Position kennen und die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten richtig einschätzen. Deshalb habe ich vor zehn Jahren mein Engagement beim Fernsehen an den Nagel gehängt und nur noch Theateraufführungen produziert.
Machen Sie sich Gedanken über das Alter, das Sterben?
Klar, habe ich mir auch schon Gedanken gemacht, aber ich verharre nicht in dieser unbestimmten Zukunft. Es geht mir gut und es besteht aktuell kein Grund zur Sorge. Wenn es Veränderungen gibt, gilt es, diese zu akzeptieren und daraus das Beste zu machen.
Ich packe die Situation dann an, wenn sie aktuell ist – so habe ich es mein ganzes Leben gemacht, das ändere ich jetzt nicht mehr. Was will ich mehr: Ich habe eine intakte Familie, bin seit über 30 Jahren glücklich verheiratet, wir leben hervorragend und wenn sich die nächste Generation in unserer Familie anmeldet, werden meine Frau und ich sehr glückliche Grosseltern sein.
Helen Dietsche führte das Interview mit Max Sieber. Die Aargauerin ist Inhaberin einer gleichnamigen Marketing- und Kommunikationsagentur.
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