«Das Renggergut ist noch viel schöner geworden, als ich mir vorgestellt habe», sagt Claudia Nielsen, Geschäftsführerin der Stiftung Renggergut, und strahlt. Es dauert nur noch wenige Tage, bis die ersten Mieter einziehen. Bis dahin gibt es noch viel zu tun. «Die Aufregung steigt, aber es wird rechtzeitig fertig.»
Während eineinhalb Jahren wurde das über 100-jährige Gebäude in Zürich-Wollishofen umfassend saniert. Die gemeinnützige Stiftung Renggergut erstellte dort 21 hindernisfreie 1- bis 3-Zimmerwohnungen für 1 oder 2 Personen. Die Miete berechnet sich nach dem Kostenmietsystem: So kostet eine Wohnung inklusive Anteil an den üppigen Gemeinschaftsflächen zwischen 1150 und 2350 Franken – für die Stadt Zürich ein Schnäppchenpreis. Ein Teil der 32 bis 67 Quadratmeter grossen Wohnungen ist ausserdem subventioniert, damit sich diese auch Menschen mit geringem Einkommen leisten können.
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Für ältere Menschen ist es schwer, etwas zu finden
Die 30 Bewohnenden wurden in einem längeren Bewerbungsprozess ausgewählt. Wer über 55 Jahre alt ist und sich gesellschaftlich engagiert (hatte), hatte eine Chance. «Gerade für ältere Menschen ist es besonders schwer, in Zürich etwas zu finden», sagt die ehemalige SP-Stadträtin Nielsen. Und nicht selten seien diese auf der Suche: «Sie müssen etwa aus ihrer Wohnung raus, weil diese abgerissen wird, zu gross oder nicht barrierefrei ist.»
Die Ex-Stadträtin Claudia Nielsen ist Geschäftsführerin der Stiftung Renggergut.
«Wir wollen im Quartier aktiv sein»
Doch das Renggergut sei viel mehr als bezahlbaren Wohnraum. Das Gemeinschaftliche steht im Vordergrund. So bietet das sechsstöckige Haus viele Gemeinschaftsflächen. Dazu gehören:
- eine grosszügige Dachterrasse mit Seeblick
- ein Gemeinschaftsgarten
- ein Entrée für zufällige Begegnungen
- ein Waschsalon
- ein Bewegungszimmer
- ein Wohnzimmer mit Bibliothek
- ein Gästezimmer
- ein Raum, über den die Bewohnenden bestimmen werden
- ein grosser Gemeinschaftsraum mit Küche
Der grosse Gemeinschaftsraum bildet das Herzstück des Renggergutes. Hier sollten die Bewohnenden gemeinsam kochen oder Versammlungen durchführen – man kann ihn aber auch für private Feste oder öffentliche Anlässe mieten. «Uns schweben öffentliche, kulturelle oder gesellschaftliche Veranstaltungen vor. Wir möchten uns aktiv am Quartierleben beteiligen.» Zusätzlich gibt es im Renggergut Gewerberäume, in die eine Spielgruppe, eine Galerie, ein Lebensmitteldepot, eine Spitex, eine Praxis für Energiearbeit sowie die Stiftung Renggergut mit ihrem Geschäftssitz einziehen werden.
Doch nicht die Stiftung, sondern die Bewohnenden selbst sollten über die Nutzung der Gemeinschaftsräume entscheiden. «Es war uns wichtig, dass diese einen Beitrag leisten», so Nielsen. Bereits jetzt haben fast alle Bewohnenden ein kleines Ämtli – etwa Gärtnern oder die Betreuung der Bibliothek.
Weitere Liegenschaft gesucht
Die Bewohnenden hätten viele Ideen: «Ich hoffe sehr, dass diese in den nächsten Monaten zu einer lebhaften Hausgemeinschaft zusammenwachsen und die Stiftung wird das auch unterstützen.» Gleichzeitig habe aber im Renggergut jeder seine Privatsphäre und Rückzugsmöglichkeiten. Ganz nach dem Motto: selbstbestimmt und doch gemeinschaftlich. «Wir sehen es als Gesellschaftslabor, in dem das gemeinschaftliche Wohnen in der zweiten Lebenshilfe ausprobiert werden kann», so Nielsen.
Weil die Nachfrage nach diesem Wohnmodell so gross ist, möchte die Stiftung möglichst bald eine weitere Liegenschaft im Raum Zürich erwerben, die ähnlich gross oder grösser ist. «Angebote nehmen wir gerne entgegen», so Nielsen.
Diversität und Umgang mit Konflikten
Auch dann wird es der Stiftung Renggergut wichtig sein, dass die Bewohnenden möglichst unterschiedlich sind, betont Nielsen: «Im aktuellen Projekt stammen sie aus allen Gesellschaftsschichten, haben oder hatten unterschiedliche Berufe und sind zwischen 55 und 92 Jahre alt – einzelne sind auf die Hindernisfreiheit angewiesen.»
Bereits vor dem Einzug seien diese im regen Austausch. «Sie haben sich etwa gegenseitig Möbel geschenkt, die in ihrer neuen Wohnung keinen Platz haben.» Ziel sei auch, dass sich die Bewohnenden aushelfen. Das kann das Pflanzengiessen während einer Ferienabwesenheit oder das Einkaufen aufgrund eines Krankheitsfalles sein. «Wir denken dabei aber nicht an pflegerische Aufgaben. Dafür gibt es die Spitex und andere professionelle Dienste.»
Doch besteht bei so viel Gemeinschaft nicht auch die Gefahr von Konflikten? «Diskussionen wird es geben. Dafür schaffen wir auch Raum an regelmässigen Veranstaltungen, die eine externe Fachperson moderiert», sagt Nielsen. Sicher sei Toleranz bei dieser Art von Wohnen wichtig: «Doch wir erwarten nicht, dass die Bewohnenden mit allen dicken Freundschaften schliessen. Bei 30 Menschen kann man sich auch mal aus dem Weg gehen, wenn man sich nicht so gerne mag.»