Ich, 43, stehe in der Rushhour des Lebens. Job, Familie, Freunde und Hobbys füllen mich aus; Zeit ist stets knapp und mein eigenes Ableben erscheint mir in weiter Ferne. Und doch beschäftige ich mich plötzlich damit. Grund ist eine Infoveranstaltung, die wir im September gemeinsam mit der Zurich Versicherung und der Swisscom durchführen.
Wann: Mittwoch, 25. September 2024, 18:00 Uhr
Wo: Hauptsitz der Zurich Schweiz an der Hagenholzstrasse 60 in 8050 Zürich (Oerlikon)
Wie: Die Teilnahme ist kostenlos, doch die Anzahl Plätze ist beschränkt. Wir freuen uns auf spannende Referate und persönliche Gespräche beim Apéro Riche.
Während ich mich mit meiner Pensionierung bereits auseinandergesetzt habe, sind mir die Begriffe digitaler Nachlass oder digitales Erbe wenig geläufig. Dabei bin ich seit meiner Jugend im Internet unterwegs. Höchste Zeit, um schon vor dem Infoanlass mehr darüber zu erfahren und ein kostenloses Webinar der Swisscom zu buchen.
Webinar buchenKursleiterin Jasmina führt uns Teilnehmerinnen an diesem Montagnachmittag charmant in das Thema ein – wir sollen benennen, was denn überhaupt zum digitalen Nachlass zählt.
Sind es der USB-Stick, das Smartphone, die Inhalte auf Facebook oder die Fotos in der Cloud?
So viel sei schon mal verraten: Während das Smartphone und der Stick zum konventionellen Erbe zählen, sind die Posts in den sozialen Medien und die Clouddaten digitaler Nachlass.
Und noch viel mehr – zum Beispiel:
Viele von diesen Diensten nutze ich regelmässig, mein digitaler Fussabdruck ist also gigantisch. Was damit nach meinem Ableben passiert, ist völlig unklar, wie Kursleiterin Jasmina ausführt: «In der Schweiz gibt es kein Gesetz zum digitalen Nachlass.»
Mit weitreichenden Folgen für die Hinterbliebenen: So kann es sein, dass kostenpflichtige Abos weiterlaufen oder das Bitcoin-Konto in den Besitz des Anbieters übergeht, weil die Passwörter unbekannt sind. Schlimm ist auch, wenn die Angehörigen nicht auf das Online-Bankkonto zugreifen können.
Oder für sie verschwinden sämtliche Kindheitserinnerungen, weil die Fotos auf der Cloud nicht mehr abrufbar sind. Häufig kommt es auch vor, dass die Social-Media-Profile noch herumschwirren, obwohl der Inhaber längst nicht mehr ist.
Dies alles möchte ich meinen Nachkommen ersparen. Nur wie? Ich habe so viele digitale Konten und die ganzen Passwörter!
Doch Kursleiterin Jasmina beruhigt und zeigt auf einer Folie auf, wie das geht – folgende sieben Schritte führen zum Ziel.
Jasmina empfiehlt, sich zunächst einen Überblick zu verschaffen – also die ganzen digitalen Konten aufzulisten – am besten in Papierform. Dabei ist es ratsam, Onlinedienste gleich zu löschen, die man nicht mehr braucht.
Dann gilt es, die Zugangsdaten zu sammeln und in einem Passwortmanager zu speichern, damit eine oder mehrere Vertrauenspersonen mit einem einzigen Passwort auf alle Konten zugreifen können. Jasmina empfiehlt Identity Security von Swisscom. Dieser ist zwar kostenpflichtig, verspricht aber eine hohe Sicherheit und die Daten werden in der Schweiz gespeichert.
Dieses Hauptpasswort soll sicher für Vertrauenspersonen aufbewahrt werden. Am besten, man hält in handgeschriebener Form fest, wer den digitalen Nachlass verwaltet. Niedergeschrieben werden auch weitere Wünsche für das digitale Erbe – etwa welche Daten erhalten bleiben sollen. Das Thema digitaler Nachlass kann auch im konventionellen Testament niedergeschrieben werden.
Wichtig ist auch, dass die Vertrauenspersonen auf das primäre E-Mailkonto zugreifen können, das man etwa dazu benutzt, um sich bei anderen Webseiten oder Diensten anzumelden.
Es lohnt sich auch, bei Google oder Apple sowie in den sozialen Medien Nachlasskontakte zu erfassen. So können die Vertrauenspersonen unkompliziert auf die Daten oder die Cloud zugreifen. Bei Facebook besteht etwa für die Nachlasskontakte die Möglichkeit, das Konto in den Gedenkzustand zu versetzen oder zu entfernen.
Nachdem der digitale Nachlass erfasst wurde, ist es wichtig, den Vertrauenspersonen Bescheid zu geben. Am besten, man übergibt ihnen die digitale Nachlassliste oder/und informiert sie, dass der digitale Nachlass ins Testament aufgenommen wurde. Falls Vertrauenspersonen fehlen, kann der digitale Nachlass auch bei der Gemeinde oder einem Notar abgegeben werden. So wie auch ein allfälliges Testament.
Besonders wichtig: Der digitale Nachlass sollte regelmässig aktualisiert werden. Etwa wenn neue Konten dazu kommen oder wenn wichtige Passwörter geändert werden.
Nach dem 45-minütigen Webinar bin ich fest entschlossen, etwas Ordnung in mein digitales Chaos zu bringen. Doch woher die Zeit nehmen? Da werde ich sicher Stunden dran sitzen. Und eigentlich möchte ich nicht an meinen Tod denken…
Schliesslich gebe ich mir einen Ruck und fange ich beim Thema Nachlasskontakte an. Erstaunlich schnell finde ich bei den Facebook-Einstellungen, wo ich diesen erfasse kann. Etwas länger suche ich bei Google, doch ich werde dank der Eingabe «Kontoinaktivitäts-Manager» in der Suchmaske fündig. Während meiner Recherche merke ich auch, dass man nicht überall Nachlasskontakte erfassen kann, manche Onlinedienste schalten das Profil auch nach einer gewissen Zeit inaktiv.
In diesem Video sehen Sie, wie Nachlasskontakte auf Google erfasst werden.
Umso schneller ist bei Apple der Nachlasskontakt erstellt, dem ich sofort den sogenannten Zugriffsschlüssel für den Fall eines Falles schicke. Ich sende dem Kontakt noch eine Nachricht hinterher, dass es mir gut geht und ich nicht vorhabe, demnächst zu sterben.
Es fühlt sich eben immer noch komisch an, in jungen Jahren Vorkehrungen für den eigenen Tod zu treffen. Obwohl: Ich habe mich doch auch ganz selbstverständlich gegen unerwünschte Ereignisse wie Krankheit, Unfall oder Todesfall abgesichert.
Und so geht es bei Apple.
Trotzdem werde ich leicht nervös, als ich anfange, all meine Onlinedienste und -aktivitäten für die Nachwelt aufzulisten. Doch dann geht es plötzlich ganz einfach. Und es tut auch gut, sich einen Überblick zu verschaffen.
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Nach rund eineinhalb Stunden ist mein digitaler Nachlass erstellt. Sicher ist er nicht perfekt und der handgeschriebene Fresszettel macht nicht den besten Eindruck. Doch immerhin wissen meine Vertrauenspersonen nun Bescheid. Ich hoffe, dass ich meinen Nachkommen irgendwann viel Ärger erspare und freue mich, dass ich mich mit dem Thema für eine Weile nicht mehr befassen muss.
Ich lege mein Smartphone weg, schalte den Computer aus und stürze mich in das echte Leben. Dieses geniesse ich in vollen Zügen – hoffentlich noch mindestens 60 Jahre lang.
Maja Sommerhalder ist Journalistin und bei Helvetic Care für den Inhalt verantwortlich. Sie freut sich über Anregungen, Themenvorschläge und Kritik auf [email protected].
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