Herr Lilley, bei unserem letzten Telefonat waren Sie in einem italienischen Touristenort. Sie sagten, hier seien so viele ältere Menschen ohne Geschmack. Warum?
Clifford Lilley: Viele ältere Touristen zeigten viel zu viel Haut. Sie trugen sehr kurze und enge Shorts, obwohl sie wirklich nicht die Figur dazu hatten. Am Strand mag ein solches Outfit noch okay sein, aber nicht in den Städten. Das ist nicht nur unangenehm anzuschauen, sondern auch respektlos gegenüber den Einheimischen. Italien ist ein sehr katholisches Land und da sollte man schon Rücksicht nehmen.
Heisst das, kurze Hosen sind ab einem gewissen Alter tabu?
Vielleicht bin ich altmodisch, aber I hate too short (lacht). Von zu viel Haut zeigen, rate ich im Alter eher ab – das mag bei jungen Leuten gehen, aber bei älteren wirkt das schnell billig. Ich bin aber nicht gegen kurze Hosen. Solange sie nicht wie Hotpaints aussehen, können sie bis ins hohe Alter schick sein. Bei Übergewichtigen ist aber ein längerer Rock oder eine längere Hose die bessere Wahl.
Gibt es noch andere Kleidungsstücke, die ältere Menschen lieber im Schrank lassen sollten?
Also eigentlich hasse ich es, mit dem Finger auf jemanden zu zeigen und zu sagen: «Don’t wear that!» Schliesslich ist es jedem Einzelnen überlassen, wie er sich nach aussen präsentieren will. Aber zum Beispiel Spaghettiträger machen wirklich keinen guten Eindruck!
Aber als Stilexperte haben Sie sicher einen Blick dafür, was gut aussieht.
Natürlich. Stil ist aber etwas sehr Individuelles und jedem steht etwas anderes. Je nach Körperbau und Hauttyp sind das andere Formen und Farben. Ich kenne ältere Menschen, bei denen sehen farbenfrohe Kleider super aus, anderen stehen schwarz oder neutrale dezente Farben besser.
Über Clifford Lilley
Der gebürtige Südafrikander Clifford Lilley lebt seit vielen Jahren in Zürich. Als Stylist und Imageberater hilft der 70-Jährige, Menschen im In- und Ausland ihren eigenen Stil zu finden. Er begleitet seinen Kunden auf beim Kleidereinkauf und wird bei Events gerne als Moderator gebucht. Häufig fragen ihn auch die Medien um seine Meinung, wenn es um Stylingfragen geht.
Viele Menschen werden mit dem Alter fast unsichtbar. Sie tragen nur noch weite Kleidung in Beige- und Grautönen, um ja nicht aufzufallen.
Tatsächlich werden viele mit dem Alter zurückhaltender. Vielleicht ist man generell ruhiger und hat nicht mehr so Lust aufzufallen. Das heisst aber nicht, dass man nichts mehr Auffälliges tragen darf. Bunt und schrill ist durchaus erlaubt. Ich glaube aber, dass solche Outfits im Alter mehr Mut als in jungen Jahren brauchen. Heute ist man aber viel offener in Sachen Mode als früher. Trotzdem sollte man nicht auf jeden Trend aufspringen.
Welche Trends gehen nicht im Alter?
Gewisse angesagte Kleidungsstücke sind bei älteren Menschen einfach suboptimal. Derzeit sind beispielsweise die sogenannten Smock Dresses sehr modern. Das sind kurze, luftige Kleidchen, die etwas wie Zelte aussehen und oft mit Rüschen verziert sind. Bei jüngeren Frauen sieht das super aus, bei älteren eher weniger. Oder Tattoos finde ich «terrible».
Darf ich denn im Alter überhaupt noch Spass an der Mode haben?
Klar, man darf auch noch im Alter etwas Neues ausprobieren. Das dürfen auch ruhig mal ein Hoody oder ein paar coole Sneakers sein. Ich finde aber, dass man mit 55 seinen Stil gefunden haben soll. Man sollte wissen, was einem steht. Natürlich passt man seine Kleidung dem Körper an, der sich ja mit dem Alter verändert.
Viele ältere Menschen kleiden sich sehr jugendlich. Zum Beispiel Frauen Mitte 50, die wie ihre Teenager-Töchter angezogen sind.
Für die Kinder muss doch ein solcher Partnerlook peinlich sein. Man muss doch nicht um jeden Preis an der Jugend festhalten. Aber das ist wohl ein Phänomen unserer Generation. Wir Menschen ab 55 fühlen uns jünger als wir aussehen. Wir sind auch länger fit und leben länger. Deshalb ist heute 50 gleich 40. Die Frauen haben auch ein grösseres Körperbewusstsein als früher.
Was sieht denn bei älteren Menschen gut aus?
Wie gesagt, das kommt auf den Typ an. Generell rate ich von zu enger und zu weiter Kleidung ab. Wichtig ist auch, dass man gute Stoffe trägt und auf Qualität achtet. Billigere Mode ist eher für jüngere Leute konzipiert. Trotzdem muss man für die Kleidung kein Vermögen ausgeben. In Secondhand-Shops findet man tolle Sachen.
Wie sieht es mit den Haaren aus?
Ich finde kurze Haare bei älteren Frauen meistens vorteilhafter. Ein guter Schnitt sieht einfach vitaler aus als lange dünne Fäden. Wer sich die Haare färben will, bleibt am besten bei seinem früheren Naturton. Aber auch graue Haare sind schön. Hauptsache, gepflegt.
Sie selbst sind dieses Jahr 70 geworden. Haben Sie Ihren Stil mit dem Alter geändert?
Ich fühle mich nicht alt (lacht). Meinen Stil bezeichne ich seit jeher als klassisch/sportlich. Je nach Anlass kombiniere ich auch gerne beide Richtungen. So trage ich zum Beispiel zu einem Blazer Jeans und Turnschuhe oder peppe mein Outfit mit einem schönen Schal auf. Ich mag es auch immer noch, neue Sachen auszuprobieren. Natürlich passe ich mich dem Zeitgeist an, so trug ich in den 90er-Jahren andere Schnitte. Auch verzichte ich heute auf zu enge T-Shirts oder ganz kurze Hosen. Der Körper hat sich geändert. Generell bin ich aber mit meiner Figur sehr zufrieden. Die Standardgrösse passt mir immer noch.
Was meinen Sie mit generell zufrieden?
In meinen Italienferien habe ich zu gut gegessen. Nun habe ich einen kleinen Bauch. Ein Bierbauch ist der Horror jedes Mannes. Die Hemdknöpfe springen auf, der Anzug trägt sich nicht mehr so gut. Ich möchte im Alter nicht zunehmen. Gleichzeitig ist es schwieriger, die Figur zu halten und es erfordert mehr Disziplin. Aber wahrscheinlich essen wir alle zu viel.
Ein schlanker Körper ist das eine. Viele lassen sich im Alter auch liften. Was halten Sie von Schönheitsoperationen?
Das ist eine persönliche Entscheidung. Eine leichte Korrektur kann viel bewirken. Umgekehrt sehen viele ältere Menschen ohne Facelifting attraktiv aus.
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