Finanziell betrachtet sind Menschen mit einer halbprivaten und privaten Spitalzusatzversicherung für die Krankenkassen und das Gesundheitswesen von grosser Bedeutung. Sie sorgen zu wesentlichen Teilen für die Gewinne der Spitäler, gewisser Spezialarztpraxen und der Versicherungen.
Dies ist ja an sich gut so und führt in den meisten Wirtschaftsbereichen unternehmerisch dazu, dass diese Klientel sehr sorgfältig bewirtschaftet und umsorgt wird. Doch wie sehen die VIP-Programme der Krankenversicherer aus?
Nehmen wir das Beispiel der fiktiven Frau Meier (69), die eine Kniearthroskopie vornehmen lassen muss. Der Arzt empfiehlt ihr, da sie etwas unsicher auf den Beinen ist und zu Hause viele Treppen gehen muss, diese am späten Nachmittag machen zu lassen und über Nacht im Spital zu bleiben - schliesslich ist sie privat versichert. Doch der Krankenversicherer lehnt die Übernahme der Kosten ab - weshalb?
Die Kasse informiert Frau Meier, dass seit einigen Jahren die Kantone und der Bund solche und weitere Operation auf eine Liste gesetzt haben. Die Kantone sind nicht mehr bereit, in der Grundversicherung die mit jedem Spitaltag geschuldeten Kosten von 55 Prozent zu übernehmen. Deshalb könne der Krankenversicherer das aus der Privatversicherung auch nicht mehr bezahlen, da er zusätzlich zur privaten Behandlung auch den fehlenden Kantonsanteil aus der Grundversicherung berappen müsse.
Frau Meier geht ambulant zur Arthroskopie und versteht nicht genau, was da passiert. Sie kann die Argumentation des Krankenversicherers nicht nachvollziehen. Sie ist doch privat versichert, damit sie sich ausserhalb der Grundversicherung frei bewegen kann.
Da ihr der Krankenversicherer erklärt, dass mit der ambulanten Operation wesentliche Kosten eingespart werden können, findet sie das insgesamt gut. Sie verbindet das damit, dass ihre Prämien dann sinken werden. Doch nach ihrem 70. Geburtstag passiert genau das Gegenteil: Sie hat einen sogenannten Alterssprung bei ihrer Prämie von rund 100 Franken pro Monat zu verkraften.
Mehr InfosWussten Sie, dass eine Krebstherapie in 95 Prozent der Fälle ambulant erfolgt? Wussten Sie, dass dieses Verhältnis noch vor 20 Jahren fast umgekehrt war? Haben Sie auch immer noch das Gefühl, dass gerade Krebspatienten im Spital behandelt werden?
Der medizinische und pharmazeutische Fortschritt macht eine derartige Entwicklung möglich. Das ist eigentlich grossartig und hilft den Betroffenen zu wesentlich mehr Lebensqualität.
Auch – so die normale Erwartung – müsste sich dies entlastend auf die Spitalzusatzversicherungen auswirken. Es sei denn, die neuen ambulanten Versorgungsformen werden den Halbprivat- und Privatversicherten kostenlos zur Verfügung gestellt (ins bestehende Produkt integriert). Aber weder noch: «weniger Leistung - höhere Prämien».
Die Krankenversicherer stehen einer Verschiebung vom Spital weg in den ambulanten Sektor nach wie vor skeptisch gegenüber.
Zwar sind die ambulanten Leistungen wesentlich günstiger, fallen aber am Ende für die Krankenversicherer netto doch höher aus. Grund: Die Kantone zahlen Beiträge an die Spitaltage, nicht aber an die ambulanten Aufenthalte.
Einige Versicherer beginnen nun, ambulante Zusatzversicherungsprodukte auf den Markt zu bringen. Aber diese sollen den bisherigen Halbprivat- und Privatversicherten nicht einfach kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Nein, sie müssten zusätzlich abgeschlossen und bezahlt werden. Sprich: Das würde nochmals teurer!
Gehen wir zurück zu Frau Meier: Ihr macht der Alterssprung bei der Prämie von 100 Franken im Monat finanziell sehr zu schaffen. Aber sie kann ja nichts machen, sie kann lediglich kündigen. Ein Wechsel ist unmöglich, da, damit verbunden, eine Gesundheitsprüfung erfolgen müsste. Und: Viele Krankenversicherer haben ein sogenanntes Höchsteintrittsalter.
Frau Meier schickt sich also in ihr Schicksal und spart sich die 100 Franken vom Mund ab. Schliesslich ist sie bereits seit ihrer Schwangerschaft vor 40 Jahren privat versichert.
Genau dies leitet über zu den fehlenden VIP-Programmen der Krankenversicherer. Diese haben sich zwar sehr bemüht, mit zusätzlichen Service-Leistungen (separate Kundencenter, sogenanntem Care und Case Management und weiteren Dienstleistungen) diese Klientel bei Stange zu halten.
Otto Bitterli hat sich ein Berufsleben lang an der Schnittstelle zwischen Privat- und Sozialversicherung bewegt. Er kommt ursprünglich von der Privatversicherungsseite (Winterthur) und hat dann bei der Sanitas als Geschäftsleitungsmitglied, als CEO und 1 Jahr als Verwaltungsratspräsident (VRP) gearbeitet. Aktuell ist er Berater und in mehreren VR und Boards tätig, unter anderem als VRP der Helvetic Care.
Gleichzeitig aber haben sie am Kern des «Nutzenversprechens» nichts geändert: warum auch? Die Versicherten können eh nicht wechseln und in der «reichen Schweiz» ist ja letztlich genug Geld vorhanden.
Zudem ist dieses Klientel wesentlich für den «erwirtschafteten» eigenen Gewinn der Krankenkassen und via Leistungszahlungen auch für jenen der Spitäler verantwortlich. Also hat man die Milchkühe kräftig gemolken und wird sie weiter melken.
Weil die VIP-Programme aus den oben genannten Gründen bei den Halbprivat- und Privatversicherten nicht «notwendig» sind, die Gewinne daraus weiter flott sprudelten, konzentrierten sich die Krankenversicherer seit Jahren auf die soziale Grundversicherung. (Zudem: Ihre Rechtsformen als Stiftungen, Vereine oder Genossenschaften haben ihren Ursprung in der sozialen Krankenversicherung. Mit der «privaten Versicherung» sind sie erst seit 1996 konfrontiert).
Die Krankenversicherer legen den Fokus auf die soziale Grundversicherung nach KVG (Krankenversicherungsgesetz). Da möchte man wenig Verwaltungskosten ausweisen, da möchte man viele Kunden gewinnen, da entwickelt man alternative Versicherungsmodelle, da wird kommuniziert etc.
Die Entschädigungen für die Verkaufsleistungen wurden über Jahre hinweg wesentlich von den Privatversicherten mitgetragen, weil man die politische Auseinandersetzung nicht führen konnte oder wollte. Das Resultat sind zusätzliche Belastungen der Halbprivat- und Privatversicherten.
Weshalb sollen die Halbprivat- und die Privatversicherten all die Gewinne finanzieren? «Helvetic Care» bleibt hartnäckig und geht der Frage weiter nach. Prämien und Leistungen sollten in einem Gleichgewicht sein. Bei den Halbprivat- und Privatversicherungen ist das je länger desto weniger der Fall.
Möchten Sie wissen, wie sich die Prämie Ihrer halbprivaten und privaten Spitalzusatzversicherung entwickelt? Dann fragen Sie bei Ihrer Versicherung nach.
Eine Vorlage des Mails erhalten Sie, wenn Sie auf den jeweiligen Link Ihrer Krankenkasse klicken. Ein vorgeschriebenes Mail öffnet sich in Ihrer Mail-Applikation und Sie brauchen nur noch auf «Senden» klicken.
Falls Sie uns Ihre Entwicklung per Mail zustellen, dann werden wir eine Übersicht über die unterschiedlichen Entwicklungen pro Versicherer publizieren, sodass Sie sich künftig direkt bei helveticcare.ch informieren können. Schreiben Sie uns.
Dabei geht es nicht darum, dass Gewinne nicht möglich sein sollen: Im Gegenteil, sie sind für ein intaktes und erfolgreiches Wirtschaftsleben entscheidend. Aber es kann und darf nicht sein, dass diese zu überwältigenden Anteilen von den Halbprivat- und Privatversicherten getragen werden müssen: Weshalb fordern die Krankenversicherer nicht, Gewinne im KVG erzielen zu können? Dies wäre schon mal ein wichtiges Signal für ihre lukrativen Kunden, ein erster Ansatz für ein VIP-Programm.
Wie dem Artikel entnommen werden kann, ist alles sehr, sehr kompliziert. Kaum jemand versteht alles, der Blick ist immer auf die obligatorische Grundversicherung gerichtet.
Es fehlt die Stimme der Konsumentinnen und Konsumenten und die Stimme der Politik für die Zusatzversicherten! Genau da setzt helveticcare.ch an. Wir sind überzeugt, dass sich nur etwas zum Positiven ändern kann, wenn die Konsumenten, also Sie als halbprivat und privat Versicherte die Stimme erheben.
Übrigens: Die mangelnde vertragsrechtliche Ausgestaltung der privaten Zusatzversicherungen wird von der Aufsicht Finma seit Jahren mit technischen Vorgaben und mit drastischen Massnahmen eingefordert. Sie ist damit so etwas wie eine «Konsumentenschutz-Instanz» geworden. Dazu mehr in einem der nächsten Artikel.
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